Terceira

Im Zeichen der drei: die drittgrößte Azoreninsel Terceira wurde als dritte des Archipels entdeckt (daher ihr Name) und der Hauptort Angra do Heroísmo blickt auf eine glanzvolle Vergangenheit als bedeutender Seehandelshafen in der Mitte des Atlantiks zurück, war jahrzehntelang die wichtigste Stadt der Azoren. Diesen Status verdankte sie vor allem ihrem geschützten Naturhafen im Schatten des Monte Brasil. Vor zwölf Jahren wurde hier die Marina eröffnet, in der Flying Fish nun seit über einer Woche fest ist. Kommt man mit dem Schiff an, ist das Entsetzen erst mal groß: direkt am Hang vis-a-vis der Hafeneinfahrt befindet sich ein so unfassbar hässlicher Hotel- und Apartmentkomplex, dass vor dem inneren Auge sofort riesige Abrissbirnen schwingen. Was hat sich dieser Architekt nur gedacht?! Ansonsten ist Angra nämlich eine durch und durch schöne Stadt und dank der prächtigen Gebäude im historischen Zentrum seit 1983 UNESCO-Welterbe. Hier lässt sich wunderbar durch Straßen und Parks schlendern, Paläste, Kathedralen und Klöster bewundern, in Boutiquen und Shops stöbern, in gemütlichen Bars und Cafés versacken. Die Atmosphäre ist lebendig und gemütlich, Wohlfühlen fällt ganz leicht.

 

 

Entgegen unserem Vorsatz haben wir hier vor ein paar Tagen dem Stierkampf am Strick „Tourada à Corda“, im Reiseführer liebevoll „Rinderwahnsinn“ genannt, eine zweite Chance gegeben. Denn speziell Terceira ist dafür berühmt, auf der Insel geht die Tradition bis ins 16. Jahrhundert zurück und wir werden bei wirklich jeder Begegnung gefragt, ob wir schon mal zugesehen haben. Die klassische Variante also: sie wird im Sommer täglich irgendwo praktiziert, in ganz normalen Wohnstraßen. In jede Richtung dienen zwei markierende Querlinien auf dem Asphalt als Begrenzung. Die erste darf der Stier noch übertreten, über die zweite sollten die Mascardos, die Männer am Ende des Stricks, ihn keinesfalls lassen, das hat heutzutage versicherungstechnische Relevanz. Sämtliche Fenster, Türen, Durchgänge sind im unteren Bereich durch speziell gefertigte Holzkonstruktionen geschützt, hinter denen die Zuschauer sich verschanzen. Wir hatten Zuflucht hinter der Brettertür einer Bar gesucht, wurden aber zwischen den Auftritten von Stier Nummer eins und Stier Nummer zwei auf eine Dachterrasse im ersten Stock eingeladen. Der Einladung sind wir zum Glück gefolgt, denn wir konnten von oben gut beobachten, wie Stier Nummer drei beeindruckend entschlossen versuchte, in die Bar hinein zu kommen, genau dort, wo wir – der Zuvorkommenheit der Locals sei Dank – in der ersten Reihe gestanden hatten. Der Rest verlief wie gehabt: das Tier wird von jungen Männern gereizt, bis es mit den Hufen scharrt, den Kopf senkt und die Verfolgung aufnimmt, dann rennen sie weg. Ernsthaft verletzt wurde dieses Mal niemand. Wir haben gelernt, dass die Gemeinschaften sich das Ganze mächtig was kosten lassen, so ist der Auftritt eines durchschnittlichen Stiers drei- bis vierhundert Euro wert, der eines „unbenutzten“ und somit aggressiveren Erstlings sogar um die tausend Euro. Meistens kommen vier Tiere zum Einsatz. Wahre Fans des Spektakels sind wir auch dieses Mal nicht geworden, für uns besteht der Reiz vor allem darin, möglichst aussagekräftige Fotos zu machen.

 

 

Entspannter und naturnäher war unsere Wanderung auf Angras 205 Meter hohen Hausberg Monte Brasil, der von See kommend schroff und steil angemutet und uns gewaltige Winddreher beschert hatte, sich bei der Erkundung zu Fuß aber von seiner lieblich-grünen Seite zeigt. Eine schöne Tour mit interessanten Zwischenstopps: Walausgucke, eine alte Telegrafenstation, diverse Picknickplätze. Zu den ausgesprochenen Wanderinseln gehört Terceira indes nicht, ist vergleichsweise flach ohne spektakuläre Ausblicke und eher dicht besiedelt. Letzterem verdankt sich das für azoreanische Verhältnisse gute Busnetz, so konnten wir dieses Mal die Insel umrunden, ohne uns einen Mietwagen leisten zu müssen. Besonders gefallen hat es uns noch in Biscoitos an der Nordküste, dort laden zum einen Naturpools zwischen Lavagestein zum Baden ein, außerdem gibt es das sympathische Weinmuseum der Adega Brum, des ersten Weinguts der Insel. Wir bekamen eine interessante und informative Führung von der Frau des Hauses. Mittlerweile wird der Betrieb in der vierten Generation fortgeführt, allerdings in kleinem Rahmen und eher aus Liebhaberei, um das Museum zu erhalten und den typischen und einzigartigen Geschmack des hiesigen Verdelho-Weins zu bewahren. Zu kostspielig ist die Weinlese, zu billig die Konkurrenz vom Festland. Bei der Weinverkostung lernten wir auch noch Senhor Brum kennen. Und wie es hier oft so läuft: wir quatschten uns noch eine Weile fest, hatten schließlich neben zwei gekauften Weinen noch einen Haufen Zitronen aus eigenem Garten im Gepäck und bekamen zum Abschied eine Rarität aus dem Jahr 1998 zum Probieren ausgeschenkt, so was Feines…

 

 

Nun sind wir eigentlich längst bereit zum Aufbruch in Richtung Ponta Delgada auf São Miguel, wahrscheinlich unsere letzte Azoren-Station. Bloß leider spielt der Wind nicht mit, seit Tagen Flaute aus wechselnden Richtungen. Morgen kommt sie aus Nord, so werden wir uns mit viel Geduld im Gepäck auf den neunzig Seemeilen langen Weg machen und erstmals seit der Überfahrt aus der Karibik wieder eine Nacht auf See verbringen.

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