Ist Nordsee gleich Mordsee?

Salzwasser-Premiere mit Flying Fish (August/September 2012)

Endlich mal mehr Zeit am Stück: zweieinhalb Wochen! Eine gute Gelegenheit, den Abenteuerhorizont zu erweitern und sich erstmals auf die Nordsee zu wagen. Leider fallen gleich die ersten drei Segeltage wegen übertrieben bewegter Luft ins Wasser: sieben bis acht Beaufort, wir bleiben in Warns und widmen uns dem Einbau unseres nagelneuen Funkgeräts samt Cockpit-Nebenstelle. Leider hatte uns die Bundesnetzagentur mitgeteilt, dass die vorhandene Funke zu alt sei und nicht mehr auf uns umgemeldet werden könne – eine von mehreren Überraschungen dieser Art.

 


T02_B01_klAuf Starkwind folgt Wind aus Norden, also segeln wir nicht wie geplant nach Den Oever, sondern gen Süden, über Edam nach Amsterdam. Der berüchtigte Sixhaven schockt auch uns erst mal durch Enge und Chaos, doch der Vorteil dort ist, dass man gar keine Zeit hat, echte Panik zu entwickeln, wenn man erst mal drin ist. Und so schaffen wir es irgendwie mit ein wenig Glück, Flying Fish pannenfrei im Päckchen einzuparken. Ziemlich klasse: da liegt man für rund 20 Euro mitten im Zentrum einer so tollen Stadt. Wir hängen direkt noch einen Amsterdam-Tag dran vor Begeisterung, lassen uns gemütlich treiben und spazieren an den Grachten entlang. Weiter geht es tags darauf unter Motor bis Ijmuiden, durch die letzte Schleuse und dann – endlich! – auf die Nordsee. Zur Sicherheit opfern wir Rasmus ordentlich von unserem guten Killepitsch und so geht das Abenteuer auch ganz sanft los mit Sonne und zwei bis drei Windstärken. Bei den Bedingungen können wir sogar unseren schönen, mohnroten Blister setzen. Mit relativ geringen Verlusten (eine im Tauwerkschneider an der Schraube geschredderte Blister-Schot, die Dinger flutschen aber auch schneller ins Wasser, als man gucken kann) erreichen wir Den Helder und fühlen uns ein wenig stolz.

 

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Für den nächsten Tag sind fünf Beaufort und Sturzregen angekündigt, für den übernächsten gleich mal wieder acht Beaufort. Da wir nicht längere Zeit im etwas trostlosen Hafen von Den Helder mit seinen grauen Kriegsschiffen bleiben wollen, nehmen wir die nassen fünf Windstärken in Kauf und legen ab gen Vlieland. Aus fünf werden auf halber Strecke aber leider sieben Beaufort. Wir segeln auf Vorwindkurs nur unter Kuttersegel und müssen immer wieder den Niedergang schließen, weil der Regen bis mitten in den Salon fliegt. Hätten wir mehr Killepitsch opfern müssen? Oder wäre ein niederländischer Schipper-Bitter passender gewesen?? Zum ersten Mal haben wir richtig großen Respekt: kaum Sicht, Betonnung und Ufer nur zu erahnen, das Echolot ausgefallen, alles dunkelgrau, die Wellen ziemlich hoch, dann aber von den kräftigen Böen wieder plattgeweht, Gischt fliegt durch die Gegend, bedrohlich wie auf einem finsteren alten Ölgemälde. Wir machen unsere erste ernstzunehmende Erfahrung mit Strom, als wir mit fast elf Knoten über Grund segeln. Gern hätten wir kurz jemanden gefragt, ob das wohl so in Ordnung ist. Jedenfalls festigt sich an diesem Tag das Vertrauen in unser schweres, stabiles Schiff noch mal ordentlich. Und die Vlieland-Entscheidung erweist sich als goldrichtig, eine tolle Insel mit schönen Örtchen und kilometerweise Sandstrand. Dort lässt sich der nachfolgende Starkwind prima aussitzen und zwei Tage am Schiff basteln und entspannen.

 



T02_B07_klFrisch erholt geht es danach zum ersten Mal ins Watt, zuerst eine kurze Strecke rüber auf die nächste Insel Terschelling und am Folgetag nach Harlingen. Das Städtchen hält das erste „richtige“ Schleusenmanöver für uns bereit, wir müssen direkt hinter einem großen Frachter einfahren, dessen Schraubenwasser uns zu schaffen macht und zudem sind die Pollerabstände nicht gerade auf Yachten abgestimmt, kurz: es fehlt schnelles und wurfkräftiges Personal, nur vier Hände an Bord erweisen sich als wenig. Gleich nach diesem mittel-würdig überstandenen Manöver dürfen wir in einem winzig kleinen und gemütlichen Hafen feststellen, dass unser wieder anzeigendes Echolot mit seinen Angaben ziemlich daneben liegt. Jedenfalls bewegen sich alle Boote im Hafen sanft hin und her, bloß unseres steht wie festbetoniert, ein seltsames Gefühl. Am nächsten Morgen sind wir dankbar für den etwas höheren Wasserstand und können netterweise problemlos ablegen, um zwecks Zwischenübernachtung wieder nach Vlieland zu segeln.

 

Es folgt unser letzter Nordsee-Tag, der freundlich beginnt, später aber zur Nervenprobe wird, als wir durch das Molengat segeln. Das ist eine schmale und relativ flache Durchfahrt zwischen der Insel Texel im Norden und der Sandbank Noorderhaaks im Südwesten. Leider steht dort Strom gegen Wind, so dass sich recht hohe Wellen aufbauen können, viel höher als erwartet. Wir fragen uns permanent, was das wohl für die verbleibende Wassertiefe bedeutet, die uns mal wieder nicht angezeigt wird, und führen heiße Diskussionen über das Wesen von Grundseen.

Doch ein „zurück“ gibt es an dieser Stelle nicht und wir schaffen es ohne Grundberührung nach Den Helder, wo uns noch eine Weile das Adrenalin aus den Ohren tropft. Als wir am nächsten Tag über Den Oever zurück ins Ijsselmeer schleusen, kommt uns das unendlich niedlich und friedlich vor. Zumindest so lange, bis wir die Detonationen in unserer Nähe bemerken und drei uniform gekleidete Menschen uns von einem Speedboot aus auffordern, unseren Kurs zu ändern und das Schießgebiet zu verlassen, in dem wir uns versehentlich befinden. Blöder Fehler, aber es ist auch in der Seekarte wirklich kaum auszumachen. Nach einem kleinen Schlenker gen Süden machen wir in Makkum fest, um dort Silke und Christian zu treffen, die mit ihrer Waarschip „Marlene“ binnen unterwegs waren. So muss ein perfektes Törnende sein: mit netten Segelkollegen feiern und Heldengeschichten austauschen – und dabei langsam realisieren, was man eigentlich alles mehr oder weniger knapp überlebt hat!

 

Unser Fazit am Schluss: erstens ist die Nordsee für Segler viel, viel anspruchsvoller als das Mittelmeer und kann alles sein von wunderschön bis bedrohlich. Zweitens finden wir Gezeitensegeln zwar sehr spannend, aber es nervt auch gelegentlich, zu völlig absurden Uhrzeiten mit etlichen anderen Booten gleichzeitig ablegen zu müssen. Drittens: Seehunde sind im Vergleich zu Delfinen unterirdisch schlechte Fotomodelle und viertens beschleunigt Salzwasser enorm die Korrosion.

 

Featured Work:
  • all
  • Refit
  • Törn
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Karl Seeger
Februar 13th, 2016 at 7:07 pm

ich als noch Binnenratte freue mich auf 2016 um endlich Seeluft zu schnuppern im Bereich Nordsee. Eure Internetseite törnt hierzu noch mächtiger an, sodass ich dem Frühjahr entgegen fiebere.

Liebe Grüße aus dem beschaulich trüben Süddeutschland in der Nähe von Stuttgart.

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SY Flying Fish by Heiks