Noch ein letzter Blick zurück, als wir am Dienstag am Sørkapp vorbei segeln, doch da hat sich der Vorhang bereits geschlossen und unser Svalbard-Rendezvous endet, wie es begann: unsichtig. Als hätten wir die Inseln nur geträumt. Es lässt sich gut an, unser Crossing. Ein paar Stündchen müssen wir den Dieselwind einschalten und uns mit langsamem Tempo begnügen, ansonsten segeln wir mit halbem Wind bei 3 bis 4 Beaufort und kommen flott voran. In der zweiten Nacht sind wir ganz überrascht von der Dämmerung, so sehr hatten wir uns an die Mitternachtssonne gewöhnt. Sie wird uns fehlen! Die dritte Nacht hat es dann in sich. Waren bei unserem Aufbruch noch maximal 18 bis 25 Knoten Wind (5-6 bft) vorhergesagt, wird nun die Prognose mit jedem neuen Gribfile nach oben korrigiert. Letztlich erwischen uns 7 Beaufort, in Böen ordentliche 8, vorlicher als querab und mit den passenden Wellen dazu, versteht sich. Da hat der Segelspaß dann prompt ein Loch und die Barentssee sich weiteren Respekt verschafft. Die gute Erkenntnis: Unser Schiff kann das! Wir fahren Großsegel und Fock im zweiten Reff, haben also noch Reserven, sitzen trocken im Doghouse, während immer wieder Wellen über das Deck gehen, die Windsteuerung macht einen fantastischen Job und Flying Fish fliegt in Peaks über 9 Knoten. Trotzdem ist die Erleichterung riesengroß, als wir gestern früh um 08:30 Uhr die 436 Seemeilen nach 2 Tagen und 20 Stunden hinter uns haben und am Steg von Skjervøy fest sind. Jetzt erstmal eine Woche schlafen!
Zurück also an Norwegens Küste, aber in Gedanken meist noch in der Arktis. Wir wissen selbst nicht genau, wie uns Svalbard, dieses garstige Wunderland, so verzaubern konnte. Man muss es wahrscheinlich nicht mögen: Inseln aus Fels, Geröll und Eis, auf denen kein Baum und kein Strauch wächst (die riesigen Baumstämme, die überall an den Küsten herumliegen, sind Treibholz, das aus Sibirien angeschwemmt wird). Lieblichkeit gibt es hier nicht, sondern eher diese unnahbare Art Schönheit, die einem die Tränen in die Augen treibt. Uns haben die gigantischen Dimensionen der Landschaften schlicht umgehauen, bis zuletzt waren wir nicht in der Lage, Entfernungen vernünftig abzuschätzen. Dazu das Licht und die Kontraste, die intensiven Farben von Meer, Gletschern, Himmel und Gestein, das Schauspiel von Wolken und Nebel. Und dann findet man all die Kleinigkeiten: Spuren, Moose, Strukturen, besondere Steine, Knochen, winzige Blumen, die es irgendwie schaffen, sich in dieser Unwirtlichkeit einzurichten und zu überleben. Stundenlang sind wir mit Begeisterung umhergestapft in unseren Überlebensstiefeln, haben all das auf uns wirken lassen und einfach gestaunt.
Dann spielen natürlich die Tiere eine riesige Rolle: Walrosse, Polarfüchse, Rentiere und Eisbären in freier Wildbahn zu sehen, das ist einfach faszinierend. Doch mindestens ebenso viel Freude haben uns kleinere Kollegen gemacht, die Seevögel. Erst auf Svalbard konnten wir verstehen, was die Norweger auf dem Festland meinen, wenn sie den Rückgang der Bestände hier bedauern, denn dort wimmelt es noch im Vergleich. Ewig haben wir mit größtem Vergnügen den Luftraum und die Wasseroberfläche observiert: die Gruppen von schwarzweißen Little Auks, immer leicht hecklastig unterwegs. Skuas, eher so gefiederte Charakterschweine, die lieber anderen Vögeln die Beute abjagen als selbst zu fischen (dabei aber nicht fotografiert werden mögen). Die bildhübschen kleinen Küstenseeschwalben, die ihre blöde Idee, am Boden zu brüten, dadurch kompensieren, dass sie laut kreischend alles attackieren, was sich nähert, auch Großes wie uns. Puffins natürlich, die niedlichen Clownfische der Lüfte. Oder die grauen Eissturmvögel, immer sehr zielstrebig und seriös dreinblickend, während sie hoch präzise knapp neben dem Schiff her fliegen. Man würde sich nicht wundern, hätten sie eine kleine Aktentasche dabei.
Ja, wir sind tatsächlich total begeistert und mit dem Nordvirus infiziert. Dabei gab es all das nicht geschenkt. Als Segler auf Svalbard hatten wir nie (außer am Steg in Longyearbyen vielleicht) das Gefühl, wirklich sicher zu sein und total entspannen zu können. Das Wetter ist extrem wechselhaft und unvorhersehbar, entsprechend gruselig liegen die Vorhersagen oft daneben. Gleichzeitig bieten die meisten Ankerbuchten nur Schutz gegen ein kleines Windrichtungsspektrum. Ein letztes Mal haben wir es in der Nacht zu Dienstag erlebt: Ein winziger Winddreher um Mitternacht, schon kamen Böen in Sturmstärke und entsprechende Wellen um die Ecke, der Anker begann zu slippen und die nächsten drei Stunden sind wir inmitten dieser widrigen Bedingungen aus dem Hornsund hinaus und zur Bucht Vestvika gesegelt, um neu zu ankern und die Restnacht zu verbringen. Wenigstens war dort gerade kein Eis unterwegs, es ist als zusätzliche Stresskomponente nicht zu unterschätzen. Tja, und an Land sind die Eisbären, deretwegen man dort immer mit einer großen Menge Sicherheitsausrüstung und dem entsprechenden Krisenszenario im Hinterkopf unterwegs ist. Doch all das ist es wert, wir schauen sehr dankbar und glücklich auf diese sechs Wochen und wünschen uns, nicht zum letzten Mal dort gewesen zu sein. Voller Sorge darüber, wie der Klimawandel dem fragilen arktischen Paradies Svalbard in den nächsten Jahren noch zusetzen wird.
Liebe Heiks,
feine Bilder und wie immer tolle Texte – und ich freue mich auf die rd. 28.000 Restbilder bei guten Essen und einer gehörigen Portion Wein in Kölle oder in Duisburg: Jedes Bild ein Schlückchen und wir werden vielleicht von Euren Farben träumen….
Exakt jetzt um 20:43 Uhr geht hier gerade die Sonne unter und es beginnt ein halbes Stündchen Dämmerung.
Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger
Schön dass ihr wohlbehalten zurück seid! Ganz tolle Bilder und Eindrücke! Da werden wir mit unserem Wohnmobil nicht hin kommen, also schön dass wir es wenigstens durch eure Augen sehen konnten! Gute Weiterreise und liebe Grüße aus Finnland!
endlich muss man sich keine Sorgen mehr machen. Die Kinder sind -wenn die Laternen gehen- wieder zuhause.
Ihr Lieben! Ich kann nur nochmal betonen: gerne geschehen, liebes Bruderherz… Für diese eure wahnsinnig beeindruckenden Erlebnisse habe ich gerne gönnend auf sämtliche Urlaubsgene unserer Familie verzichtet und sie dir zukommen lassen….so konntet ihr diese wunderbare Reise machen und mir reicht es absolut die tollen Blogs und die noch tolleren Bilder zu schauen!!! Schön, dass ihr wieder an Land seid. Und ich freue mich sehr auf nähere Ausführungen, wenn wir uns dann irgendwann wiedersehen…. und auf die nächsten Blogs… und: die Bilder sind echt der Knaller….
Schön, dass ihr gut behalten zurück in Norwegen seid! Hatte die sich verschlechternde Windprognose mit verfolgt und gehofft, dass trotzdem alles gut läuft.
Liebe Grüße, Svenja
Das habt ihr feiiiin gemacht!!
Herzlichen Glückwunsch zu dieser besonderen Reise und willkommen auf dem Festland.
Liebe Grüße hup
Welcome Back on the Continent
💪
Wir freuen uns über dass was ihr alles geschafft habt und dass es euch gut geht. Unvorstellbar was ihr alles erlebt habt. Ihr seid einfach richtige Segler, die Spaß am Segeln haben und kein schönes Wetter brauchen😉. Wir sind sehr gespannt auf eure Geschichten und Bilder. Liebe Grüße Melanie & Thomas (liegen übrigens neben der Midnight Sun vor Sardinien- so klein ist die Welt)
Die Definition von „schönem Wetter“ verschiebt sich halt mit der Zeit, das macht es leichter ;-). Liebe Grüße nach Sardinien!