Pfeift der Wind durch dein Bier, hast du Windstärke vier

…und fliegt die Wurst dir vom Brot, ist dein Schiff bald in Not. Das hat mal ein berühmter Seefahrer gesagt, wahrscheinlich war es Elke aus Hamburg. Demnach müsste Flying Fish gerade ständig in Not sein, denn es weht und weht und weht, fast kein Tag unter sechs Beaufort mit giftigen Böen bis Stärke acht. Was man nicht fixiert, das ist weg und „waaaaas?!“ (kurz und praktisch für „wie bitte“) ist fester Bestandteil unserer Dialoge, denn der Wind reißt nicht nur Wurst und ganze Brote davon, sondern auch jeden gesprochenen Satz. Alle Wellen tragen Schaumkrone und wir sind allzeit gut gesalzen, denn beim Segeln fliegt uns die Gischt um die Ohren und an Dinghi fahren ohne Flutung ist gar nicht zu denken. Naja, soll ja ganz gut konservieren… Darf man als Segler genervt sein von dem, was einen antreibt und fortbewegt? Normalerweise fürchten wir auf dieser Reise nichts so sehr wie anhaltende Flaute, aber gerade fänden wir ein Päuschen von dem Dauergeblase einfach mal nett. Positiv allerdings: uns kam dieser Tage die Erkenntnis, dass wir mittlerweile ganz schön abgehärtet sind. Zu Hause hätten wir bei diesen Bedingungen möglichst nicht abgelegt, doch hier sind wir mit größter Selbstverständlichkeit unterwegs, segeln, ankern, leben in unserem stählernen Cocktailshaker. Zum Glück müssen wir nicht durch Schleusen und in enge Häfen.

 

 

Genug gejammert, wir wollen lieber noch etwas Schönes berichten, von unserem außergewöhnlichen Abend in Parham zum Beispiel, dem Übernachtungsort im Norden Antiguas, von dem wir nichts erwartet hatten. Zufällig stießen wir dort auf die relativ unscheinbare Ounce’s Bar und weil wir nach den Aktivitäten des Tages (sechs Stunden lang gegen Wind und Welle kreuzen, bloggen, Motoröl- und Ölfilterwechsel) sehr gerne noch ein Bierchen trinken wollten, ließen wir uns dort nieder, obwohl wir die einzigen Gäste waren. Mit der Zeit wurde diverse Technik aufgebaut, unter anderem sehr große Boxen, und der Laden füllte sich. Ein DJ begann aufzulegen und kurz darauf war klar: das hier wird ein Karaoke-Abend. Anscheinend hat sich fast der ganze Ort dort versammelt, alle Altersklassen waren vertreten und jede mögliche Styling-Intensität. Junge Leute versuchten sich an Rihanna-Songs, coole Typen sangen Rap oder Reggae, Diven trugen Klassiker vor und verursachten Gänsehaut mit ihren Wahnsinnsstimmen. Manche Auftritte waren etwas unbeholfen, wurden aber wohlwollend und mit nur sanftem Spott aufgenommen. Und der am abgerissensten daherkommende Schlumpf erwies sich als der begnadetste Entertainer, brachte den Laden zum Kochen. Selten haben wir eine so positive, entspannte und ausgelassene Stimmung erlebt. Seit vier Jahren findet das Karaoke-Singen an jedem einzelnen Mittwoch statt, erfuhren wir später. Bloß zwei Mal ist es in dieser Zeit ausgefallen, einmal lag Weihnachten ungünstig und dann wegen einer Hurrikanwarnung. Wir als die einzigen Touristen unter rund hundert Dorfbewohnern waren einfach mittendrin dabei, ohne spezielle Aufmerksamkeit zu erregen. Auch uns wurde angeboten, etwas vorzutragen, aber natürlich wollten wir nicht leichtfertig die ganze Belegschaft traumatisieren, wir sind beide entsetzlich unmusikalisch. Am nächsten Morgen im Dorfladen war der Vorabend Hauptthema und offensichtlich freuten sich die Leute dort, dass auch wir den Abend so genossen haben. Es lohnt sich einfach, auch abseits der malerischen Orte und ausgetretenen Pfade unterwegs zu sein. Auch unser eigentliches Ziel Great Bird Island hat sich gelohnt, wenn die Insel auch meistens unter einer Wolkendecke lag und wir beim Schnorcheln ordentlich durchgeschüttelt wurden. Immerhin hatten wir sie eine Weile ganz für uns. Mittlerweile sind wir auf Barbuda angekommen und auf dem Weg hat endlich mal wieder ein Dolphinfish angebissen!

 

 

Ludger
April 4th, 2016 at 5:13 pm

Liebe Heiks,
so gefällt mir die Terminierung. Montag früh, E-Mail Account öffnen und die Neuigkeiten aus der Karibik lesen, sehr schön. Und dann sind da auch endlich die leeren Buchten ohne drängelnde Ankerlieger.
Ja der liebe Wind, das himmlische Kind; zu wenig ist Mist, zu viel noch mehr Mist. Ich habe neulich die Ankündigung von Wilfried Erdmann gelesen, in diesem Jahr Richtung Schottland und Färöer zu segeln. Da schreibt er ganz lakonisch: „…obgleich in der Region auch mit viel Regen und Wind zu rechnen ist. Na, wir haben exzellentes Ölzeug von … an Bord.“ Ein sehr gelassener Umgang mit Wind und Wetter nach einem Leben auf See. Im Kanal, noch in Europa habt ihr den Fish langfahrtentauglich gemacht und nun seid ihr das ganz offensichtlich auch geworden. Herzlichen Glückwunsch und herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger

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