Am Karfreitag sind wir nach vierzig rauen, anstrengenden Seemeilen am Wind in einem der internationalen Yachtzentren der Welt angekommen: English Harbour im Süden Antiguas. Hier finden alljährlich die Top-Events Antigua Sailing Week und Antigua Classic Yacht Regatta statt, zudem atmet dieser Naturhafen Geschichte. Ein tolles Gefühl, die drei Meter hohen Wellen und die pfeifenden Böen hinter sich zu lassen und in die schmale, geschützte Bucht einzulaufen wie einst 1784 Englands Held Admiral Lord Nelson als Kommandant der Fregatte „Boreas“. Der historische Ort verfiel zwischenzeitlich, wurde in den 1940er Jahren sorgfältig restauriert und trägt heute den Namen Nelson’s Dockyard. Ein kleines Museum zur britischen Militärgeschichte ist hier untergebracht, diverse Yachtservices, ein paar Shops und Restaurants und natürlich die Marina. Dort haben wir uns allerdings nicht eingebucht, wollten nicht, dass Flying Fish für das schäbige Beiboot einer der riesigen nobel-hochglänzenden Superyachten gehalten wird, sondern lieber gegenüber in der Freeman Bay unseren Anker werfen. Beziehungsweise erstmals zwei Anker, denn die Bucht war schon ziemlich voll und der Wind dreht dort bekanntermaßen in jede beliebige Richtung (so was steht zum Glück im Törnguide). Das Manöver war weniger schwierig als gedacht und wir sind begeistert von der Haltekraft unseres nur sieben Kilo schweren Fortress-Heckankers.
Nicht ganz zufällig waren wir ausgerechnet über das Wochenende in English Harbour. Wie wahrscheinlich jeder Segler in der Gegend wollten wir unbedingt die berühmte Party miterleben, die jeden Sonntag hoch über der Bucht in Shirley Heights stattfindet. Zu dem grandiosen Ausblick über die Südküste gibt es leckeres Barbecue, kalte Getränke, Livemusik und einen Haufen gut gelaunter Menschen, ein toller Abend! Außerdem ist der Fußweg dorthin sehr nach unserem Geschmack, über Stock und Stein durch den Wald den Berg hinauf. Und später mit Taschenlampen wieder runter natürlich. Ein einsames Geschäft, denn hier sind überwiegend Amerikaner unterwegs, die lassen sich eher fahren. Wir dagegen genießen es, nun diese Bewegungsfreiheit zu haben. Im Dunkeln zu zweit allein unterwegs, das hätten wir uns auf den meisten anderen Inseln nicht mit gutem Gefühl getraut. Eindeutig sind wir in der reicheren Karibik angekommen, schon seit Guadeloupe gibt es keine Boatboys mehr und an manchen Orten werden nicht mal mehr die Dinghis abgeschlossen. Am Ostermontag sind wir weiter gesegelt an die Westküste nach Jolly Harbour, sehr entspannt bis auf die Riffnavigation kurz vor dem Ziel. Genau dort, als Konzentration gefragt war, hat natürlich böswillig ein Fisch angebissen. Blöderweise nicht der bestellte Thun oder Dolphinfish, sondern ein zwar wunderschön und lecker aussehender, aber unter Ciguatera-Verdacht stehender Mutton Snapper. Er durfte zurück in die Freiheit und hatte seinen Fisch-Kumpels sicherlich einiges zu erzählen.
Jolly Harbour bot neben dem Frischwasser, das wir ganz dringend brauchten, vor allem ein schönes, sicheres Ankerfeld und eine gute Busverbindung in die Hauptstadt St. John’s. Und die war einfach nett, ein weiterer Eintrag auf der mögen-wir-Städte-Liste: typisch karibische Wuseligkeit, das spektakulär kitschige Denkmal für den ersten Premierminister des Inselstaates Antigua und Barbuda, Sir Vere Cornwall Bird Snr., die St. John’s Anglican Cathedral mit ihren markanten Zwillingstürmen, die gerade entkernt und von innen saniert wird, weil ihr hölzernes Interieur Termiten zum Opfer fiel, eine Markthalle mit gutem Obst- und Gemüseangebot, zahllose Shops für alles Mögliche. Auf den Straßen interessante Leute von Business bis Rasta, dazwischen deutsche Touristen, denn die „Mein Schiff 3“ lag gerade im Hafen. Passt man nicht auf, fällt man in einen der Krater auf oder neben dem Bürgersteig und erstaunlicherweise haben sich auch hier SUV als Statussymbol durchgesetzt, vielleicht liegt es an deren Ausmaßen, dass es fast nur Einbahnstraßen gibt. Seit heute Nachmittag sind wir in Parham an Antiguas Nordküste, ein reiner Übernachtungsstopp auf dem Weg zu der vorgelagerten Mini-Insel Great Bird Island. Die ist zwar nur drei Seemeilen entfernt, aber für die Eyeball-Navigation durch die Riffe dorthin waren wir zu spät dran, die funktioniert sonnenstandsbedingt nur bis circa 15 Uhr, danach kann man die Farben des Wassers nicht mehr klar genug unterscheiden und entsprechend die Tiefe nicht sicher ableiten. Wird also spannend morgen, wahrscheinlich berichten wir in ein paar Tagen von Barbuda aus.
Faszinierende Berichte und schöne Fotos, es macht Spass Euch bei Euren Karibikabenteuern zu folgen.
Viel Spass noch, weiterhin alles Gute.
Hallo liebe Heiks,
da habt ihr tatsächlich diese berühmte Lokation mit dem traditionellen Regattaevent schon wieder verlassen! Schade – ich hätte gerne ein paar Bilder von der Veranstaltung mit dem Fish als Kulisse gesehen! Die haetten es bestimmt bis in die Yacht geschafft.
Die Landschaftsaufnahmen sind schon beeindruckend aber von einsamen Buchten irgendwie keine Spur!? Oder verheimlicht ihr die, damit es auch einsam bleibt – würde auch irgendwie Sinn machen.
Gruesse vom Schreibtisch, Ludger