Auf den Spuren der Black Pearl

Wir liegen mit Flying Fish in der Wallilabou Bay im Westen der Insel St. Vincent, einem der Drehorte der „Fluch der Karibik“-Filme. Disney hat hier den Ort „Port Royal“ aufgebaut und einiges an Kulissen und Requisiten hinterlassen, an denen der Zahn der Zeit mittlerweile gewaltig nagt. Doch auch ohne den cineastischen Hintergrund ist die Bucht ein Traum. Schon das Segeln die Küste entlang hat uns eingestimmt: dicht mit Regenwald bewachsene, steile Berge und schwarzsandige Strände, von Palmen gesäumt, und wieder die hübschen Orte mit den verstreut liegenden kleinen Häusern in sämtlichen Farben des Regenbogens. Trotz all der Schönheit werden wir mit St. Vincent aber nicht wirklich warm, fühlen uns weniger wohl und sicher als zuvor auf den Grenadinen, obwohl beides eine staatliche und administrative Einheit bildet. Die Kluft zwischen Einheimischen und Touristen scheint hier insgesamt deutlich größer zu sein, dieses Gefühl machte sich schon bei unserer Ankunft breit, als die Boatboys auftauchten. Es ist üblich, dass in den Buchten Jungs unterwegs sind, die längsseits kommen und von ihren Booten aus Waren und Dienstleistungen anbieten. Sie nennen sich „Tiger“, „Mandyman“ oder „Mr. Everywhere“ und sind in der Regel nett und umgänglich. Wir versuchen eigentlich immer, sie zu unterstützen, kaufen möglichst etwas ab (wenn sie nicht gerade ausschließlich Lobster im Programm haben) und schwatzen eine Runde. Und sind natürlich grundsätzlich freundlich. Hier in der Wallilabou Bay blieb uns die Freundlichkeit schnell im Hals stecken, denn die Gepflogenheiten der Boatboys sind anders: sie sind schon untereinander rücksichtslos, versuchen von allen Seiten, einem beim Anlegen die Leinen aus der Hand zu reißen und das Kommando zu übernehmen. Andere hängen schon an der Reling, bevor das Schiff fest ist und zerkratzen mit ihren grob gezimmerten Booten den Lack. Sagt man, dass sie erst mal Abstand halten sollen, werden sie pampig. Die Yachttouristen werden wie offene Portemonnaies betrachtet, aus denen sich jeder möglichst schnell und reichlich zu bedienen versucht. Kein Gedanke an morgen, schon jetzt lassen viele Segler St. Vincent komplett aus, so schlecht ist der Ruf der Buchten bereits.

 

 

Zu welchen Teilen Armut und Mentalität die Grundstimmung beeinflussen, lässt sich schwer sagen, auf jeden Fall zählt die Insel zu den Karibikländern mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen. In der Hauptstadt Kingstown sind die Probleme deutlich sichtbar. Der Doyle Törnguide findet warnende Worte, sie sei „an interesting local town, for those who want to see the authentic, rough edges and all“. Und genau so wirkte die 34.000 Einwohner-Stadt auf uns. Ihr Beiname ist „City of Arches“ wegen der vielen Gebäude mit Rundbögen, doch an manchen Stellen ist es so unglaublich schmutzig, chaotisch und marode, dass diese gar nicht wirklich auffallen. Marktstände, Shops, sogar Kirchen befinden sich oft in erbarmungswürdigem Zustand. Doch am schlimmsten ist, in wie viele betäubt aussehende Augen und leere Gesichter man schaut. Alkohol und Drogen scheinen ein gewaltiges Problem zu sein und gemeint sind nicht der fröhliche Freizeit-Kiffer und das Bierchen am Abend. Angeblich wird Tourismus als Wirtschaftszweig stetig ausgebaut, doch in der Hauptstadt, wo die Kreuzfahrtschiffe vor Anker liegen, ist davon insgesamt nichts zu merken.

 

 

Gleichzeitig hat St. Vincent andernorts einiges zu bieten, besonders rund um seine beeindruckende Natur. Der hiesige botanische Garten ist der älteste der westlichen Welt und sehr schön angelegt, Guides wie „Mr. Rock“ zeigen und erklären die Pflanzen und Kräuter. Richtig begeistert hat uns der „Vermont Nature Trail“ im Buccament Valley, auf dem man rund zwei Stunden lang durch dichten Regenwald laufen und einfach nur staunen kann über die dampfende grüne Üppigkeit rundherum. Mit etwas Glück sieht man hier einen der vom Aussterben bedrohten „Vincies“, wie der St. Vincent-Papagei auch genannt wird, uns blieb er leider verborgen. Viele weitere Wanderwege gibt es und an einigen Stellen alte Petroglyphen, indianische Gravuren in Felsen und Steinen (im vielversprechend klingenden „Layou Petroglyph Park“ ist allerdings nur eine einzige davon zu sehen plus einige Fotos, wie wir gestern feststellen durften). Und unbedingt erwähnenswert sind noch all die netten Begegnungen der letzten Tage: mit dem machetenbewehrten Bauern, der uns einen angriffslustigen Bullen vom Weg scheucht. Der Frau, die uns ihre Hundewelpen zeigt. Dem Künstler, der aus seinem Leben erzählt. Oder dem Busfahrer, der uns am Straßenrand wiedererkennt und seine Fahrt stoppt, um nach unserem letzten Ausflug zu fragen. Wir würden hier wieder anlegen, es gäbe noch viel zu sehen und erleben, bloß etwas mehr Vorsicht als anderswo ist wahrscheinlich angebracht.

 

 

Wolfgang B.
März 7th, 2016 at 8:25 pm

Ja, es stimmt alles. Eine wunderschöne Bucht, Reste der Sets von Flucht der Karibik, aber extrem aufdringliche Boot-Boys. Kauft man nichts, verfluchen sie einen sogar. Und in der Nacht wurde uns am 27.2. das Dinghi geklaut und dabei die Kette abgezwickt, das Tau säuberlich durchtrennt. Wenn man jetzt liest, dass am 4.3. ein deutscher Segler dort ermordet wurde, dann kann man noch sagen- nochmal Glück gehabt..

Falko Wenzel
Februar 25th, 2016 at 6:19 am

es ist immer wieder wie ein kleiner Urlaub eure Reisebeschreibung zu lesen. Hier freuen wir uns jetzt auf -das was Ihr so wunderschön habt- den Sommer. Lasst es Euch gut gehen….

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