Lanzarote

„Lanzarote ist die Insel für Ästheten mit einem Hang ins gemäßigt Exzentrische“, so steht es in der Reiseliteratur geschrieben und da ist was dran. Die Landschaft ist karg, wild, dramatisch, von Vulkanismus geprägt, an vielen Orten Schönheit auf den zweiten Blick. Schon vom Schiff aus war uns die Bebauung aufgefallen: kleine, eckige, weiße Häuser, die oft wie hingewürfelt wirken, die Tür- und Fensterrahmen blau oder grün gestrichen. Von einem einzigen Hotel in der Hauptstadt Arrecife abgesehen ist kein Wohngebäude höher als eine Palme. Entsprechend einladend wirken die Dörfer, zumal zwischendrin auch noch spektakuläre Sukkulenten und Grünpflanzen gedeihen. Viele zugrundeliegende Regularien verdankt die Insel dem hier geborenen Künstler und Architekten César Manrique (1919-1992), der nach Jahren in New York zurückkehrte und sich seiner Heimat annahm. Seinen Werken und Einflüssen begegnet man auf Schritt und Tritt. Manrique konzipierte Ferienanlagen, einen Kakteengarten und Besucherzentren, schuf Gebäude, die sich perfekt in die Landschaft integrieren und zahlreiche große Skulpturen. Uns gefiel besonders der Mirador del Río ganz im Norden Lanzarotes. Das Aussichtslokal mit den organisch rund ausgestalteten Räumen wurde in 497 Metern Höhe in den Felsen gebaut, an der Decke hängen raumgreifende, aber ganz filigran wirkende Metallskulpturen, hier harmoniert alles perfekt – Natur und Architektur im Einklang. Und durch die Panoramascheiben bietet sich ein grandioser Blick auf La Graciosa, auch auf unsere traumhafte Ankerbucht von letzter Woche.

 

 

Leider läppern sich die Eintrittsgebühren für die einzelnen geschmackvollen Manrique-Sehenswürdigkeiten ganz schön, dennoch müssen wir uns mindestens noch die Besichtigung des ehemaligen Wohnhauses gönnen, dessen Form der Architekt an Vulkanhöhlen angepasst hat. Ebenfalls teuer und zugleich etwas ärgerlich fiel der Besuch des Parque Nacional de Timanfaya im Westen der Insel aus. Dort sind zwischen 1730 und 1736 durch andauernde Vulkanausbrüche die gigantischen Montañas del Fuego, die Feuerberge, entstanden. Eine Landschaft wie von einem anderen Planeten: Krater und Kegel, Gesteinsfarben von rot über braun bis tiefschwarz, unterschiedlichste Oberflächenstrukturen (Dear Jenny, the word „Oberflächenstrukturen“ is for you!). Manche sehen aus, als sei die Lava gerade erst erstarrt. Für Lanzarote-Touristen gibt es hier zwei Alternativen: man verzichtet auf all das oder man zahlt eine saftige Gebühr, lässt sich mit fünfzig anderen Leuten in einen Reisebus sperren und mit Zwangsbeschallung vom Band eine halbe Stunde lang hindurch kutschieren. Draußen rauscht Motiv um Motiv vorbei, keine Chance, bei voller Fahrt durch die Busscheiben irgendetwas davon mit der Kamera einzufangen. Und viel schlimmer: man kann die Landschaft nicht in Ruhe auf sich wirken lassen, genießen, eigenen Gedanken nachhängen. Petra und Eric sind, genau wie wir, schon viel auf eigene Faust gereist und waren ebenfalls wenig begeistert, doch den meisten Touris schien diese Art des Sightseeing durchaus zu gefallen. Am Schluss wurde dem staunenden Publikum routiniert demonstriert, wie heiß das Erdinnere hier bereits in geringer Tiefe immer noch ist: trockenes Gebüsch geht nach kurzer Zeit in Flammen auf, gießt man Wasser in eine Öffnung, schießt eine Wasserdampfsäule in die Höhe. Wer will, kann sich anschließend noch einen Ritt auf dem Dromedar spendieren. Wir ergriffen die Flucht, stoppten noch bei den Salinas de Janubio, die mit ihren schachbrettartigen Salzfeldern einen interessanten Anblick bieten und in El Golfo. Nahe dieses Fischerdörfchens befindet sich der Lago Verde, eine durch Algenbewuchs grün gefärbte Lagune, die schön mit dem schwarzen Lavasand kontrastiert. Leider hat man einen Zaun am Ufer entlang gespannt.

 

 

Richtig gut gefiel uns noch die ehemaligen Hauptstadt Teguise, die wir wegen des berühmten Sonntagsmarktes besuchten. Es lag die Befürchtung in der Luft, dass es sich dabei um Touri-Nepp der schlimmsten Sorte handeln könnte, doch wir wurden positiv überrascht: neben etwas Nepp auch ein Haufen geschmackvoller Dinge, Kunsthandwerk, Textilien und drum herum ein liebevoll gepflegter Ort. Auch das Dorf Yaíza im Süden mochten wir und Haría im Norden. Viele Ansiedlungen hier muten geradezu afrikanisch an aufgrund ihrer Architektur und des Wüstencharakters rundherum. Unser Standort Arrecife ist dagegen kein optisches Juwel, doch wir fühlen uns sehr wohl hier und schätzen unter anderem die Versorgungslage: es gibt endlich wieder große Supermärkte mit spanischer Vielfalt, wir konnten bei Ikea ein paar Lücken im Hausstand füllen und sind außerdem Dauergäste in den zahlreichen Chandleries und Ferreterias, die es hier gibt. Das passt gut, denn ohnehin umweht uns dank der Beschäftigung mit Flying Fishs Innereien seit Tagen ein zarter Hauch von Motoröl und Diesel. Gleich zu Beginn haben wir günstige Transporträder für unser Dinghi gefunden, denen wir schon ewig hinterher jagen, ein paar fehlende Ersatzteile sind ebenfalls bereits ergänzt. Gestern waren wir ein paar Stunden lang mit dem – von Heiko ausgebauten – Öldrucksensor unterwegs, um irgendwo Ersatz zu bestellen. Ein schwieriges Unterfangen mit gutem Ausgang: Bootselektriker Francisco, der „versuchen wollte, am Dienstag ab 18 Uhr vielleicht mal vorbei zu kommen“, stand am Nachmittag auf einmal auf der Matte. Ein umgänglicher, kompetent wirkender Typ, mit dem wir uns auch ohne gemeinsame Sprache prima verständigen konnten. Er hatte prompt ein passendes Teil in seinem Fundus! Und siehe da, das erste Problem ist damit gelöst und mit dem Öldruck alles okay.

 

 

Und unsere eigentliche Baustelle? Der Fish-Motor hat heute einen zweistündigen Belastungstest hinter sich gebracht, bei dem das Drehzahl-Phänomen nicht wieder aufgetreten ist. Es besteht also die Möglichkeit, dass Antonio irgendwo die richtige Schraube erwischt hat und die Sache vom Tisch ist. Eine Garantie dafür gibt es nicht, wir werden in nächster Zeit also viel motoren müssen, um bis zum Start auf Gran Canaria sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist. Jetzt bekommt Herr (oder Frau?) Perkins noch einen Ölwechsel spendiert, vielleicht stimmt das final versöhnlich. Die letzte Überfahrt aus Madeira war übrigens nicht nur für uns problembehaftet und für die als Schleppfahrzeug missbrauchte „Balou“. Jenny und Simon, mit ihrer „Fenicia“ ein paar Tage vor uns gestartet, erlebten stundenlang Windstärke neun. Die „Ganescha“ wurde fast von einem Motorboot gerammt und den schlimmsten Schock erlitt die dänische Crew der „Sif“ in Form einer nächtlichen Kollision. Wahrscheinlich haben sie einen schlafenden Wal erwischt, das eher leichte GFK-Schiff blieb zum Glück dicht und auch als Christina und Soren es sicherheitshalber kranen ließen, waren keine Schäden zu entdecken. Zuletzt kamen diese Woche noch Britta und Jens mit der „Lili“ auf La Graciosa an. Ihre Bilanz: vier Meter hohe Wellen, ein defekter Autopilot, am Schluss Motorausfall wegen Dieselpest und ein zwischen Felsen verklemmter Anker (der inzwischen freigetaucht wurde). Eine letzte Nervenprüfung für alle angehenden Atlantikbezwinger anscheinend…

 

Ludger
November 5th, 2015 at 11:09 am

Liebe Heiks,
wir waren vor ca. 20 Jahren erstmalig auf Lanzarote und haben alle Sehenswürdigkeiten abgegrast. Damals gab es in Playa Blanca nur einige wenige Hotels. Vor 3 Jahren waren wir dann noch mal da und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Bis zum Leuchtturm neue, enge Hotelanlagen, zwar keine Hochhäuser aber alles andere als einladend. Den Vogel abgeschossen hat der edel – Yachthafen in Puerto Calero, da gibt es goldene Poller am Kai! Manrique bekommt im Grab vermutlich Drehschwindel, so oft muss er sich umdrehen… Und trotzdem lohnt die Insel unseres Erachtens immer noch einen Besuch. Die Landschaft und die Kunst bilden eine tolle Urlaubskombination – und Eure Bilder sind sehr schön und wecken tolle Erinnerungen. Genießt die Zeit auf dieser ungewöhnlichen Insel… und haltet Euch gut mit Frau Perkins, damit´s weiter gehen. Ich drücke die Daumen! Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger

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