Witzig, wie sich langsam die Relationen verschieben: am Dienstag sind wir die dreißig Seemeilen von Porto Santo nach Madeira gesegelt, drei Beaufort aus Nord, schönste Blisterbedingungen, dazu ordentlich Welle bis drei Meter Höhe. Vor nicht allzu langer Zeit war so was für uns noch eine beachtliche Distanz und ein großes Abenteuer, jetzt, nach der 500 Seemeilen-Überfahrt vom Festland, kam es uns vor wie ein Spaziergang nach nebenan. Den wollte Heiko entsprechend cool nutzen, um schnell noch an seinen jüngsten Angelerfolg anzuknüpfen und uns einen leckeren Bonito für den Relinggrill zu fangen, doch leider blieb es bei der Idee, obwohl er lange und konzentriert versuchte, dem neulich entdeckten Werbeslogan folgend wie ein Fisch zu denken. Hmmm, wie ein Fisch gucken klappte auf jeden Fall schon prima und glücklicherweise enthielt unser Oktoberpäckchen von Barbara und Tobias passgenaue Kompensation. Danke sehr, da habt Ihr ganz schön präzise in die Zukunft geschaut! Und wir können – um noch ein wenig in der Fisch-Abteilung zu bleiben – unsere erste Wal-Sichtung vermelden, leider undokumentiert. Wir bekamen nur einmalig einen großen, grauen Rücken samt Fontäne zu sehen, der schnell wieder in der Tiefe verschwand. Ohne die klassische Fluken-Präsentation, wie sich das eigentlich für Wale gehört (und: ja, wir wissen, dass sie Säugetiere sind, aber „Fisch-Abteilung“ passt so gut). Wir waren dennoch beeindruckt und scannten danach die Wasseroberfläche noch konzentrierter als sonst.
Unser Ziel hier war zunächst die Baía da Abra, eine Bucht am alleröstlichsten Zipfel Madeiras. Eigentlich hatten wir befürchtet, dort vielleicht wegen Überfüllung keinen adäquaten Ankerplatz zu finden und in die nächste Marina weiterziehen zu müssen, denn allzu viele Ankermöglichkeiten gibt es nicht auf der Insel und Baía da Abra wird in der nautischen Fachliteratur als ausgesprochen schön beschrieben. Doch weit gefehlt, bei unserer Ankunft lag gerade mal eine einzige niederländische Yacht vor Anker, die am nächsten Morgen ablegte, in der zweiten Nacht teilten wir die riesige Bucht mit einem Boot aus Dänemark. Uns war es ganz recht, nicht völlig alleine zu sein, denn das Ankerlicht der jeweils anderen Yacht war bei Dunkelheit der einzige Orientierungspunkt rundherum. Außerdem sind wir als Ankerer noch ein wenig unerfahren und zurückhaltend, so denken wir bei totaler Einsamkeit nicht „oh prima, ganze Bucht für uns“, sondern eher „Mist, was wissen alle anderen Segler, das wir nicht mitbekommen haben?!“. Der Aufenthalt war auf jeden Fall ein Hochgenuss, unbedingt ein Tipp für die segelnde Nachwelt! Man ankert im Nordosten direkt vor der Steilwand in zehn Meter tiefem Wasser, perfekter Halt in Sand. Ob sich das Grundeisen ordentlich eingegraben hat, lässt sich bequem per Sichtkontrolle feststellen, so klar ist das Wasser. Und es ist zudem so warm, dass wir nicht nur schnorcheln waren, sondern auch noch freiwillig Entalgungsarbeiten an Wasserpass und Schiffsschraube vorgenommen und das eingedieselte Heck von Flying Fish gereinigt haben. So viel Spaß bei der Hausarbeit war selten!
Und dann kann man von der Baía da Abra auch noch eine spektakuläre Wanderung unternehmen. Das Anlanden mit dem Dinghi auf dem Steinstrand ist eine kleine Herausforderung, doch ist das unfallfrei überstanden, jagt ein landschaftliches Highlight das andere. Die Tour zum letzten Inselzipfel ist zu Recht nicht sehr geheim, ganze Karawanen bewegen sich dort entlang, von unten sehen sie aus wie Ameisenstraßen. Doch das muss ja nichts Schlechtes sein: wir haben direkt am ersten Aussichtspunkt Sylvia und Jörg kennengelernt und hatten zu all den grandiosen Views auch noch beste Gespräche über aktuelle, geplante und vergangene Reisen weltweit – inclusive einer Verabredung zum Kölsch für Oktober 2016 zur Fortsetzung der Unterhaltung. Der Weg führt in großer Höhe teils über schmale Felszungen, manchmal kann man zu beiden Seiten das Meer sehen, im Norden wild tosend und schäumend, auf der Südseite schön friedlich. Zum Glück, denn dort war schließlich Flying Fish geparkt. Nach Osten blickend präsentierte sich noch mal Porto Santo unvernebelt in der Ferne. Immer wieder gibt es wild gezackte Felsformationen zu entdecken, manche davon in der Sonne rot glühend, andere mit schwarzen Basaltstreifen durchzogen. Die Insel zeigt hier deutlich ihren vulkanischen Ursprung und man kommt nicht umhin über die Urgewalten zu phantasieren, die all das vor Millionen Jahren so geschmackvoll geschaffen haben.
Gestern haben wir uns in die Marina „Quinta do Lorde“ verholt, einmal nach Westen ums nächste Kap herum, denn seit heute weht südwestlicher Wind und die Bucht wäre nicht mehr sicher. Reiner von der „Balou“ und die beiden „Fenicias“ Jenny und Simon erwarteten uns schon, ein schönes Wiedersehen. Von hier aus werden wir die weitere Inselerkundung per Mietwagen starten, auf jeden Fall stehen ein paar Wanderungen an. Präzise Pläne gibt es noch nicht, aber Ihr werdet wie immer alles erfahren. Wir wünschen ein schönes Wochenende!
Euer Blog hat mir das frühe Geweckt-Werden durch meine süßen Kids erleichtert. Hatten sie doch direkt die Frage ,ob Heiko wieder nen Fisch gefangen hat. Zum Glück konnte ich sie damit trösten, dass er wenigstens wie ein Fisch schauen kann. Da hatten sie ihren Spaß. Wünsche euch wie immer ne tolle Zeit.
Ohhhhhh. Es kribbelt. Wir freuen uns auf die tolle Bucht. Sind bald in eurem Kielwasser, erst einmal zurück nach Lagos und dann rüber nach Porto Santo. Grüsse die crew balou und Bussi an euch. Heike und Herwig