Nortada light

Hatten wir schon mal erwähnt, dass die vorherrschende Windrichtung in diesem Jahr kaputt ist? Normalerweise stellt sich an der portugiesischen Atlantikküste circa ab April Nortada ein, ein stabiler Nordwind, der mit vier bis sechs Beaufort bläst. Nach einigem Südwind genießen wir gerade eine sehr softe Version davon: Flaute dominiert in den Prognosen, sind dann zwei bis drei Beaufort vorhergesagt, schlagen wir zu und nehmen die nächste Etappe in Angriff. Meistens kommt dabei eine Mischung aus Motorfahrt, Segeln mit Motorunterstützung und ein paar schönen Stunden unter Blister heraus. Natürlich wären wir gern flotter (und leiser) unterwegs, andererseits denken wir beim Lesen der nautischen Literatur oft, dass zu wenig Wind hier deutlich besser ist als zu viel. Nur wenige der ohnehin dünn gesäten Häfen an dieser Küste kann man jederzeit und bei allen Wetterbedingungen anlaufen, zu den meisten gibt es ausführliche Warnhinweise, wie und wo man gegebenenfalls zerschellen kann. „The potential dangers of the entrance should not be underestimated”, ist eine typische Einleitung. Und jeder hier kennt die tragische Geschichte der deutschen Yacht “Meri Tuuli”, die im April 2013 bei gar nicht so schlimmen Bedingungen vor Figuera da Foz quergeschlagen und gesunken ist, wobei zwei Menschen starben. Insofern haben wir ohne Groll auf irgendwelche Wettergötter zunächst am Samstag die 65 Seemeilen von Porto nach Figueira da Foz in zwölf Stunden zurückgelegt, davon sieben mit Motor. Die dortige Marina war klein, gemütlich und zentral gelegen, verfügte außerdem über super Duschen, doch konnte uns der Ort direkt nach dem großartigen Porto nicht wirklich fesseln. Er wirkt ein wenig künstlich und leblos mit seinen in Pastellfarben aufgerüschten Villen und wir haben dort keine wirklich gemütlichen Ecken gefunden.

 

 

So ging es am Montag weiter nach Nazaré, 37 Seemeilen in sieben Stunden, die Hälfte davon unter Motor. Nazaré gilt als das bekannteste Fischerdorf des Landes (wobei „Dorf“ arg verniedlichend klingt, es ist ganz schön groß). Am dortigen Praia do Norte hat der Wellenreiter Garrett McNamara im Jahr 2011 einen Weltrekord aufgestellt, indem er die mit rund 30 Metern höchste je gesurfte Welle meisterte, zahlreiche Fotos im Ort zeugen davon. Unser Aufenthalt dort war großartig und ziemlich abwechslungsreich. Jedes Jahr am 8. September wird „Nossa Senhora da Nazaré“ gefeiert, nachdem vor langer Zeit, 1183, im oben auf der Klippe gelegenen Ortsteil Sítio die Muttergottes erschien und einen adligen Ritter vor dem Absturz bewahrte. Gegen Mittag waren sämtliche Bewohner Sítios auf den Beinen und auch wir fanden uns auf dem Dorfplatz ein, um der Prozession mit der erstaunlich kleinen Marienstatue beizuwohnen. Unter Ave Maria-Gesängen wurde sie andächtig und feierlich über bunten Blumenschmuck getragen, die Portugiesen trugen feinsten Zwirn, viele ältere Frauen sogar eine Art Tracht mit bauschigem, tailliertem Rock. Dazu erklangen die obligatorischen Böllerschüsse, schon in Galicien haben wir gelernt, dass sie zu Festen einfach dazu gehören. Ganz anders dagegen die Atmosphäre auf dem rund einen Kilometer entfernt gelegenen Festplatz. Die stand deutlich im Zeichen von Partyrausch und Konsum mit Karussells, Fressbuden und einem beeindruckenden Geräuschpegel. Wir haben dort in einer eher ruhigen Ecke mit den Crews von „Balou“, „Midnight Sun“ und „Just so“ den Abend verbracht und köstliches Schwein vom Spieß verspeist. Und gestern noch einen „normalen“ Tag in Nazaré verlebt – herumschlendern, am Strand den ausgebreiteten Fischen beim Trocknen zuschauen,  ein wenig Backschaft erledigen. Am Abend noch ein Bierchen mit Christina und Jörg von der „Midnight Sun“ im Kreise der sympathisch warmherzigen Langfahrt-Community aus dem Nachbarhafen. Hat man etwas Aufwändigeres an seinem Schiff zu schrauben, ist die südwestlich gelegene Marina sicher ein guter Ort dafür. Und auch für einen kürzeren Stopp würden wir beim nächsten Mal dort anlegen!

 

 

Weiter gen Süden fuhren wir dann heute: 25 Seemeilen bis Peniche in fünf Stunden, davon drei unter Motor, weil Wind wieder knapp war. Dafür hatten wir ordentlich Welle: zwei bis drei Meter im Durchschnitt, irgendwo draußen auf dem Atlantik gab es wohl mehr bewegte Luft als hier. So konnten wir uns jedenfalls direkt etwas besser vorstellen, wie vor Nazaré die Monster-Wellen entstehen, die hochfliegende Gischt und das Donnern und Tosen waren wirklich beeindruckend. Wie gesagt: so richtig harte Bedingungen möchten wir hier gar nicht unbedingt, nur einen klitzekleinen Krümel mehr Wind hier und da…

 

Volker
September 17th, 2015 at 10:18 am

Liebe Heiks, bin mal wieder auf Eurer Seite, um zu verfolgen wo Ihr im Moment seid und wie es Euch geht! Eure Küstenfahrt erinnert mich gerade an unsere super Portugalreise (ok, Angang der 90er..), die wir (ok, als Landratten) unternommen und genossen hatten (besonders genoss ich damals die lulinhas fritas)!! Ich wünsche Euch von Herzen die genau richtige Dosis Wind und sende Euch ganz viele liebe Grüsse aus Kölle!!!
Volker

Achim
September 12th, 2015 at 1:50 pm

Hi,….ist wohl normal, dass der Portugiesische Nordwind aus dem Süden kommt oder gar nicht weht. Wir brauchten im letzten Jahr auch viel Geduld, um auf die Wetterfenster zu warten.
Grüße von der Atanga
Achim

Ludger
September 11th, 2015 at 4:00 pm

Hallo Ihr Beiden,
schön zu hören, wie der einst so verfluchte Herr Perkins Euch langsam und zuverlässig weiter bringt – ihr solltet den Perkins – Beschwörungstanz, den ihr in NL offensichtlich erfolgreich getanzt habt, regelmäßig an einem einsamen Strandstück wiederholen. Sicher ist sicher. Ich tanze dann mal weiter den Portugal -Flaute – Tanz, immer rund um den Schreibtisch…auch wenn´s langsam geht, wünsche ich Euch weiterhin mäßige Winde, Sturm kommt früh genug. Liebe Grüße vom Schreibtisch, Ludger

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