Stundenlang segeln wir unter tiefhängenden grauen Wolken durch stahlgraues Wasser, rechts und links graue Berge, teils mit Schneeresten auf den Gipfeln (immerhin weiß, nicht grau). Wetter im Norden halt. Am Nachmittag dann kämpft sich auf einmal die Sonne durch und in der nächsten Sekunde ist es, als wäre eimerweise leuchtende Farbe ausgeschüttet worden. Tief smaragdgrün ist das Fjordwasser jetzt und wir können uns kaum sattsehen an der Landschaft um uns herum, an Wäldern, steilen Hängen und Wasserfällen. Eine gute Einstimmung auf das, was uns in und um Sundal erwartet, einem kleinen Ort im Maurangerfjord, der ein Seitenarm des berühmten Hardangerfjords ist. Nur dass wir hier von unserem hübschen Liegeplatz obendrein auch noch freien Blick haben auf den Bondhusbreen, einen Ausläufer von Norwegens drittgrößtem Gletscher Folgefonn. Und an den wollen wir möglichst nahe heran!
Direkt am Tag nach unserer Ankunft wird kurz der Sommer angeknipst und wir unternehmen eine erste Wanderung: von Sundal aus auf einem beinahe rollstuhlgerechten Weg zum malerischen See Bondhusvatnet (auch der leuchtet grün) und dann über Stock und Stein weiter bergan. Unzählige Wasserfälle liegen am Weg, einer dramatischer als der andere. Bloß die Gletscherzunge verschwindet irgendwann aus dem Blick, am Endpunkt der Wanderung sieht man bloß noch Geröll, über das das Schmelzwasser fließt. Also hängen wir noch eine kleine Kletterpartie an, bis wir das Eis wieder sehen. Eine traumhaft schöne Tour und ein riesen Glück, dass wir sie machen konnten. Wir hatten uns schon gewundert über den frisch aussehenden Felsabgang unterwegs, ganze Bäume waren niedergewalzt und weiteres Gerumpel von oben hätte uns nicht überrascht, so dass wir immer die nächste Deckung im Blick hatten. Einen Tag später war der Weg polizeilich gesperrt und ist es noch.
Unser Wandertag ist der Freitag nach Mittsommer, der in Norwegen Sankthans heißt und mit Geselligkeit und Lagerfeuer gefeiert wird. Ein Lagerfeuer gibt es nicht im Mini-Hafen von Sundal, aber eine extrem gesellige Runde: Anna und Malin von der SY Hevandelli und die Einhandsegler Olli (SY Futura II) und Mika (SY Tagedieb) haben Tisch und Bänke auf den Steg geschleppt und dort quatschen wir uns durch die Nacht, genießen, dass es nicht dunkel wird und wir kaum müde. Morgens um 4 Uhr fragt Olli, ob jemand Pistazieneis möchte und zaubert einen ganzen Kübel hervor aus der Kühltruhe in den Tiefen seines Bootes. Könnte wirklich alles viel schlimmer sein…
Ein paar durchwachsene Tage und dann bietet sich eine weitere Wandergelegenheit. Nach zahlreichen Telefonaten und einem Besuch im Tourist Office in Odda wissen wir, dass wir die von uns favorisierte Tour nicht werden machen können, weil die Eis- und Schneeverhältnisse es noch nicht zulassen. Gern wären wir an den Gletscherrand nach Fonnabu gewandert, hätten dort in der Hütte übernachtet, uns an Tag 2 einer Gruppe angeschlossen, um mit Guide und Leihmaterial den Gletscher zu überqueren und dann nach Odda abzusteigen. Nun laufen wir „nur“ die insgesamt 26 Kilometer nach Fonnabu in 1.450 Metern Höhe und zurück. Die Strecke ist traumhaft schön und es fühlt sich verrückt an, immer wieder durch Schneefelder zu stapfen. Gleichzeitig flößt uns die wilde Natur hier oben ordentlich Respekt ein, kein Stück würden wir den Folgefonn betreten und auf eigene Faust erkunden.
Warum wir die lange Tour an einem Tag und ohne Übernachtung gelaufen sind? Weil inzwischen die SY Freya auf dem Weg nach Süden ist und am Nachmittag in Sundal ankommt. Tina und Olaf haben gerade ihre Freunde Alex und Thomas an Bord. Als wir zurück sind, begrüßen die vier uns mit der schönen Nachricht, es gebe Curry mit selbstgefangenem Fisch und sie würden gerade für uns mit kochen. Wir schmeißen im Gegenzug eine Runde Aperitiv: Gin Tonic mit selbst gefangenem und zu Tal geschlepptem Gletschereis! Derzeit folgen auf unsere Wandertage immer richtig tolle Abende.
Und seglerisch so? Es hat was von Überraschungsei. Die Vorhersagen verraten eher nur die Wettertendenz, die Realität im Fjordland kann beliebig anders aussehen. Immer mal gibt es Kap- und Düseneffekte, manchmal macht unerwartete Strömung, die sich aus Wind und Gezeiten ergibt, das Segeln möglich oder unmöglich. So haben wir geglaubt, von Stavanger nach Skudesneshavn entspannt segeln zu können, doch es wurde ein einziges Segel-rauf-runter-raus-rein, das sich ewig hinzog. Von der nächsten Etappe, 18 Seemeilen nach Haugesund, hatten wir rein gar nichts erwartet, bloß einen drögen Motortag, konnten dann aber unter Blister so wunderbar durch den Karmsund brettern, dass wir an Haugesund vorbei noch weitere 18 Seemeilen gesegelt sind bis in eine Ankerbucht. Insofern, solange keine Extreme angekündigt sind: Erst mal ablegen und dann flexibel weitersehen, so handhaben wir das derzeit.
Oh nein, bleibt bitte total spektakulär! Ich habe schon mal einen kleinen Wortvorrat angelegt 😉
Ein ganzes traumhaftes Bilderbuch in nur einem Blog! Irre. Ich kann die Luft fast atmen, das reine Wasser im Gin fast schmecken.
So schön…
Wundere mich immer, dass ihr überhaupt Zeit findet zum Schreiben. Wenn wirklich mal nix zu tun ist, muss man doch sicher pausenlos in die grandiose Natur schauen…. 😉
Aber bitte weiter blogen, so können wir wenigstens – schwitzend auf dem Balkon (mit leckerem vinho verde) – ein wenig mitreisen!
Da stimme ich dem Carsten zu – Karibik scheint überbewertet!
Das ihr mit den Seebeinen soviel Landgang macht, alle Achtung. Und ja, ich komme um das Wort „spektakulär“ wieder nicht rum.
Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger
😎👍
Immer wieder lehrreich und witzig, ich könnte euch tagelang lesen.
🤪
Mir kam der Gedanke:
„Eigentlich wissen wir gar nicht warum man in die Karibik fährt…“
Weiterhin viel Spaß im Land der grünen Steine
Folgefonn im Fjordland 😂 vielleicht spricht Isabella fließend norwegisch? 🤔😅
Was für Bilder 😶🤤🤤🤤 was für unglaubliche Natur 😱😮😍 wieso fährt man in die Karibik…wieso wohnt man in Belgien??? 😅🥹🥲
Das mit Belgien müsstest Du vielleicht mit Brent besprechen;)