Wir können guten Gewissens berichten, dass wir uns mehr und mehr akklimatisieren, anpassen und integrieren auf Grenada. Direkt nach der Ankunft hatten wir nur eine sehr vage Vorstellung davon, was es mit diesem „liming“ auf sich hat, das hier in aller Munde ist. Nicht nur, dass man es ständig tut oder tun will, das Wort sprang uns auch sonst laufend in den Weg: „Lime & Dine“ ist zum Beispiel der Titel der lokalen Veranstaltungsbroschüre und auch eine der hiesigen Telefongesellschaften trägt den Namen „Lime“. Wir haben den Begriff zunächst mit „chillen“ gleichgesetzt, doch nun glauben wir den Unterschied zu kennen: limen ist aktiver und geselliger als chillen. Es kann bedeuten, einfach mit anderen Menschen gemeinsam Bier zu trinken und dabei Blödsinn zu reden oder auch etwas zu unternehmen, das entspannt ist und Spaß macht, sich schlicht treiben zu lassen. Genau das praktizieren wir derzeit: wir tingeln mit Flying Fish von Bucht zu Bucht, die Strecken, die wir dabei zurücklegen, bewegen sich zwischen spektakulären drei und zehn Seemeilen. Meistens lohnt es sich nicht, die Segel zu hissen, maximal das Vorsegel kommt mal kurz zum Einsatz. Konzentration ist dennoch gefragt, denn die Riffpassagen haben es in sich. „Eyeball-Navigation“ ist eine häufig vorkommende Empfehlung in unserem aktuellen Törn-Guidebook von Chris Doyle, die Navigation auf Sicht, bei der man die Wassertiefe vor dem Bug von der Farbe der See ableitet. Denn es gibt massig nicht genau kartographierte Untiefen, gleichzeitig ist die Fahrwasserbetonnung meistens privat und daher nicht sehr zuverlässig (ganz nebenbei ist sie für unser Empfinden – analog zum Linksverkehr auf den Straßen – auch noch falschherum: von See kommend also rote Tonnen an Steuerbord und grüne an Backbord). Wichtig ist auch, nicht zu spät dran zu sein. Hier herrscht Tag-Nacht-Gleiche, die Sonne geht um 6 Uhr auf und um 18 Uhr wird es dunkel. Steht sie am Nachmittag schon zu tief, sieht man die unterschiedlichen Wasserfarben nicht mehr.
Derzeit liegen wir nördlich von St. George’s in der Grand Mal Bay an einer Mooring, zum selbst ankern ist es zu tief. Direkt um die Ecke am Moliniere Point hat ein Künstler namens Jason Decaires Taylor einen Unterwasser-Skulpturenpark kreiert, wo sich herrlich schnorcheln lässt. Am bekanntesten ist eine kreisförmig angeordnete Gruppe stehender Figuren, doch schaut man sich ein wenig um in der Bucht, findet man noch viele andere Werke, oft von bunten Fischen umschwärmt (abgesehen von den vielen Fischen und ein paar Röhrenkorallen sieht das Riff allerdings mausetot aus – Klimaerwärmung oder Hurrikan Ivan, wir wissen es nicht). Irgendwann mussten wir raus aus dem Salzwasser, weil unsere Haut langsam über das Schrumpelstadium hinaus war und abzufallen drohte. Zuvor haben wir noch in der Clarkes Court Bay geankert, in der Prickly Bay und direkt vor St. George’s. Das Langfahrtseglervolk ist rege: schnell spricht sich jeweils herum, wo etwas los oder wann irgendwo Happy Hour ist, dort fährt man dann mit dem Dinghi hin, trifft einen Haufen Menschen aus aller Herren Länder und hat gute Chancen auf einen netten Abend. Uns hat besonders die sonntägliche Party auf Hog Island mit Livemusik gefallen, die wir mit Christina und Jörg von der „Midnight Sun“ besucht haben und auch der Abend in der einsamen Bar in der Dragon Bay war schön und kurzweilig, wir haben ihn mit einem hier ansässigen neuseeländisch-isländischen Paar verquatscht – so geht dann wohl liming…
Ob unser zweiter Ausflug in den Regenwald vom letzten Freitag noch unter diesen Begriff fällt, sei mal eher dahingestellt, dafür war vielleicht zu viel Adrenalin im Spiel. „Sich treiben lassen“ gehörte allerdings auch dazu. Der Tag ging schon originell los, indem wir in St. Georges’s die letzten zwei Plätze im bisher außergewöhnlichsten Bus unseres Aufenthalts ergattert haben. Sie sind alle unterschiedlich und individuell gestaltet, dieser hatte ein riesiges Jesus-Gemälde über den ganzen Fahrzeughimmel vorzuweisen und vorne den Schriftzug „God & me“, dazu wie üblich karibische Rhythmen in Club-Lautstärke. Wer braucht da noch einen Anschnallgurt?! So ging es erneut ins Inselinnere, wo wir vom Visitor Centre aus den Einstieg in die Wanderung zu den St. Margaret Falls suchten und fanden, „Seven Sister Falls“ werden sie meistens genannt. Da sie auf Privatgrund liegen, muss man eine kleine Eintrittsgebühr zahlen und einen Guide mitnehmen, in unserem Fall Naquan, nett, jung, sportlich. Offensichtlich haben wir hier auf der Insel Guide-Glück, wieder bekamen wir viele spannende Infos zu Flora und Fauna, etliches hätten wir allein im Leben nicht entdeckt (Lizzards zum Beispiel), geschweige denn den Weg zum ersten Wasserfall gefunden.
Tja, dort angekommen, sah die Situation eigentlich nach Sackgasse aus. Alle sieben Kaskaden, so erfuhren wir von Naquan, bekomme nur zu sehen, wer einen Berg hochkraxelt, sich oberhalb in die Fluten stürzt und dann watend, schwimmend und die Fälle hinunter springend dem Flusslauf folgt. An dieser Stelle haben wir dann wohl unser Kreuz bei „Abenteuer“ gemacht. Ab ging es in die erfreulicherweise vorhandene Dschungel-Umkleide und dann barfuß in Badeklamotten den dicht bewachsenen, schlammigen Berg hinauf. Eigentlich hätten wir uns gründlich vor ekligem Getier fürchten müssen, doch wir waren zu überrascht und konzentriert und versuchten einfach, unfallfrei unseren Weg zu finden, uns an Wurzeln und Steinen entlang hangelnd. Nach einer Viertelstunde stießen wir wieder auf den Fluss und von da an ging es bergab: den ersten kleinen Wasserfall umkletterten wir in Naquans Fußstapfen, schwammen dann ein Stück und schon kam der erste Sprung, circa drei Meter in die Tiefe. Machbar. Bald folgte eine Engstelle mit Steilwänden, die es oberhalb des reißenden Wassers zu durchklettern galt, dort hätte ein Fehltritt schon mächtig wehgetan. Zwei weitere drei- bis vier-Meter-Sprünge und einige Schwimm- und Kletterpassagen später dann das große Finale: zehn Meter senkrecht in die Tiefe. Nein, das war eindeutig kein liming mehr, das war eine ausgewachsene Mutprobe inmitten dieser großartigen Kulisse. Anstrengend und spannend war es und hat großen Spaß gemacht. Blöd im Nachhinein: keiner von uns hat vor lauter Aufregung darauf geachtet, ob die Schwestern tatsächlich zu siebt sind, wir können uns wirklich nicht erinnern.
Never!!!! Diesen Ausflug machen wir nicht!!
LG aus Mindelo
Liebe Heiks, bin so froh zu sehen wie gut es Euch geht nach der langen Strapaze! Bin mir nicht sicher ob ich den Sprung gewagt haette!! Wir waren gar nicht so weit weg von Euch ueber Neujahr, in curacao, konnten Euch aber leider nur 2mal von oben zuwinken!
ganz liebe Gruesse und passt mir auf die Riffe auf!
Wow. Tolle Eindrücke! Liest sich etwas merkwürdig bei -6°!
Geniesst die Zeit – ich geniesse hier ein wenig mit! Philipp
ich weiß nicht ob dieses müssige und leichtsinnige Leben gut ist ;-)?! Möge es Euch noch viel Freude bereiten….
Liebe Heiks, ich war am Wochenende auch mal wieder am Schiff – und es war fast so toll wie bei Euch: Plus 3,5, gefühlte minus 15 Grad, gesellige Einsamkeit im Hafen und irgendwie überall liming live. Insbesondere in Stavoren an der Fischbude, windgeschützt im Auto aber mit Blick auf das sagenumwobene Ijsselmeer… Trinkt bitte das eine oder andere liming Bier auf die daheim gebliebenen Kaltwassersegler. Herzliche Grüße vom winterlichen Schreibtisch, Ludger
Danke für diesen besonders spannenden und mitreißenden Beitrag! …und erstmal die Fotos!!!!
Hallo ihr zwei,
komme gerade aus dem Skiurlaub! Kaum vorstellbar mit Kurzer Hose und T-Shirt. Ich schicke euch mal einpaar Bilder.
Verregnete Grüsse Frank