Lyse – unser erster Fjord

Klingt wie „mein erster Schultag“ und ungefähr so besonders war unsere Fjord-Premiere auch. Eigentlich wollten wir eine Regenperiode nutzen, um Schreibtischkram zu erledigen und Stavanger zu erkunden, doch dann stellten die Vorhersagen plötzlich trockene, sogar sonnige Flautentage in Aussicht. Und da heißt es spontan sein und sie nutzen, so viel wissen wir inzwischen über Wetter in Norwegen. Also motoren wir los und sind bald im breiten Høgsfjord, bei Oanes dann geht es scharf links in den Lysefjord hinein. Zwei Kilometer breit und mit steilen, bis zu 1.000 Meter hohen Felswänden zu beiden Seiten schlängelt er sich 37 Kilometer ostwärts ins Landesinnere, doch wir wollen nur bis zur Vikavågen-Bucht, ziemlich zu Beginn auf der Südseite. Drei Anläufe braucht es, bis der Anker in dem krautigen Boden bei 12 Metern Wassertiefe hält. Und dann: Motor aus und Frieden, ein schöner Ort.

Am folgenden Tag geht es gründlich auf den Stepper, wir nehmen uns die 4.444-Stufen-Wanderung vor, das entspricht mehr als acht Aufstiegen auf den Kölner Dom! Angeblich handelt es sich um die längste Holztreppe der Welt, sie führt die Röhre eines alten Wasserkraftwerks entlang und vereinfachte früher deren Wartung. Doch heute ist sie unsere Trainingseinheit – und beschäftigt zudem den Kopf: Jede zehnte Stufe ist nummeriert und wir können beide nicht anders, als permanent auszurechnen, wie viel Prozent des steilen Aufstiegs geschafft sind. Oben angekommen, stolpern wir fast in den Stausee, der einst das Kraftwerk speiste, auf den Hügeln drum herum liegen noch Reste von Schnee. Noch eine Brotzeit mit View, dann geht es außen herum, den roten Ts folgend, über Stock und Stein zurück ins Tal. Einziger Schönheitsfehler dieses perfekten Wandertags: Um unseren super Ankerplatz nicht aufzugeben, haben wir die Strecke zum Ausgangpunkt Flørli mit dem Dinghi zurückgelegt, 10 Seemeilen in den Fjord hinein. Über den Tag ist Wind aufgekommen, leider Gegenwind. So wird die Rückfahrt sehr lang, sehr kalt und sehr nass. Und ist komplett undokumentiert, die Kamera hätte es nicht überlebt.

Als nächstes haben wir DAS Highlight der Region auf dem Programm, den berühmten Preikestolen. Reiseführer und Internet warnen vor den Touristenmassen dort. Die sind natürlich eigentlich völlig okay, wo ist es schon heimlich schön?! Doch da wir die Felsenkanzel auf die harte Tour ab Fjordlevel erklimmen werden und nicht, wie üblich, vom Wanderparkplatz auf halber Höhe, hätten wir es doch gern ein wenig privater. So verteilen wir alles, was Daune, Merino oder Zelt ist, auf zwei Rucksäcke und machen uns auf. Der Einstiegspunkt heißt Revså kai und ist diesmal zum Glück nur eine Viertelstunde Dinghifahrt entfernt, bloß leider darf man dort nicht dauerhaft festmachen. Deshalb hieven wir das Dinghi ein Stückchen entfernt auf einen Felsen und schlagen uns von dort aus eine ganze Weile durch das Unterholz, bis wir auf den offiziellen Pfad stoßen. Für 3,5 schöne, aber anspruchsvolle Kilometer gehört er uns, dann erreichen wir Parkplatz und Café und er geht über in eine Art Wanderautobahn. Steil ist es immer noch, doch alle Steine sind hier fest und sicher, über morastige Bereiche führen hölzerne Stege. Hier könnte man gut das Tempo anziehen, würden nicht hunderte Menschen herunterströmen, viele zu geschafft, um dem Gegenverkehr noch halbwegs rücksichtsvoll Platz zu lassen. Es sind allerdings auch nur wenige, die es noch bergauf treibt am späten Nachmittag.

Der Preikestolen ist tatsächlich beeindruckend: ein riesiges Felsplateau, von dem es an drei Seiten über 600 Meter senkrecht nach unten geht, gen Lysefjord. Es herrscht eine wunderbare Stimmung hier oben und wir reihen uns ein in die – immer noch große – Touristenschar, die begeistert Selfies knipst oder sich gegenseitig am Abgrund fotografiert. Wie schön, dass sich dieser besondere Ort in Norwegen befindet, bei uns wäre er ziemlich sicher asphaltiert, hätte ein Geländer und haufenweise Warnschilder. Irgendwann machen wir uns abseits auf die Suche nach einem Platz für unser Igluzelt, haben dabei die Wahl zwischen sumpfig und uneben und entscheiden uns für letzteres. Die zwei oder drei weiteren Camping-Fraktionen sind in andere Richtungen verschwunden, wir hören und sehen sie nicht mehr. So genießen wir einsam mitten in der Natur unser Abendessen: 5-Minuten-Terrinen und dazu Rotwein, die Prioritäten beim Gewicht des Proviants haben wir gewohnt professionell gesetzt. Auf einem Felsensofa in solcher Landschaft den Sonnenuntergang genießend wird sowieso alles zum Tausend-Sterne-Mahl. Die Nacht ist semi-bequem und kurz, denn natürlich wollen wir auch den Sonnenaufgang miterleben, da wir schon mal hier sind. Um 5 Uhr sitzen wir frühstückend auf dem Preikestolen, bestaunen das Zauberlicht und haben das Plateau tatsächlich eine Weile ganz für uns. Ein anstrengender und wunderbarer Ausflug, wir können zufrieden zurückkehren nach Stavanger!

Brigitte.Matthews@btinternet.com
Juni 26th, 2022 at 12:39 pm

Fascinating and great photos. Preikestolen looks impressive and learning more about Stavanger which has close ties with Aberdeen was interesting.
We look forward to hearing more about your adventures.

Heike
Juni 27th, 2022 at 10:17 pm

Happy to have you on our site.

Nina
Juni 24th, 2022 at 7:55 pm

So schön, das Ihr wieder on Blog seit. Sieht mega aus. Hatte den Norden bisher nicht auf der Reise todo Liste, das ändert sich aber gerade massiv :). Eure Berichte versüßen mir den Corona Lockdown in dem ich mich seit 10 Tagen befinde :). Micha ist auch begeistert. Liebe Grüsse aus Dormagen N&M(hatte es bisher technisch nicht geschafft, einen Kommentar abzusetzen)

Heike
Juni 27th, 2022 at 10:20 pm

Auch andere hatten schon Probleme, unsere Matheaufgaben zu lösen 😉 Schön, dass es geklappt hat und wir dich im Lockdown erheitern können. Ganz liebe Grüße

Silke Lindenthal
Juni 21st, 2022 at 8:08 am

Sehr beeindruckend, ihr Lieben!!!!!

Heiko
Juni 21st, 2022 at 3:13 pm

Wir waren auch ganz geflashed.

Carsten
Juni 21st, 2022 at 7:28 am

Ich habe wieder alles vor meinen Augen
Danke Euch

Heike Grusemann
Juni 21st, 2022 at 3:12 pm

Gerne geschehen!

Ludger
Juni 21st, 2022 at 7:20 am

Boaahhh – da bleibt nur der inflationäre Gebrauch von „spektakulär“…. das Highlight war aber sicherlich, als der Rotwein den Duft der 5 Minuten Terrine unterstützt… 😉
Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger

Heike Grusemann
Juni 21st, 2022 at 3:11 pm

Ohne Rotwein ist 5MT auf jeden Fall noch schwieriger…

Suse
Juni 20th, 2022 at 11:30 pm

Hammer, Leute – Hammer!!

Heike Grusemann
Juni 21st, 2022 at 3:07 pm

Ja, Norwegen kann einen echt umhauen! 😊

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