Wo die Flüsse rückwärts fließen

Crosshaven, der kleine südirische Ort, in dessen noch viel kleinerer Salve Marina Flying Fish gerade festgemacht ist, ist einfach nur knuffig: eine Häuseransammlung entlang des mit Moorings und Booten gespickten Owenabue River, eine Kirche auf dem Hügel, ein erstaunlich gut sortierter Supermarkt, die obligatorische Fish’n Chips-Bude und ein Haufen Pubs, von denen das schön schrullig eingerichtete „Cronin’s“ direkt unser Favorit geworden ist. Wir hatten ganz vergessen, wie faszinierend das Leben im Gezeitenrevier ist. Mit jeder Tide schwankt der Wasserstand um rund dreieinhalb Meter, der Fluss wechselt seine Richtung und die Umgebung ändert sich langsam von „mississippiartig“ zu „Rinnsal in Schlammwüste“ und retour. Viel los ist in Crosshaven normalerweise wohl nicht, doch zweierlei kam uns zugute: die beiden Schweizer Liisa und Wolfgang liegen mit ihrer „Lotta“ in der Nachbarmarina, sie haben unsere Reise über den Blog verfolgt und uns direkt kontaktiert, als wir hier ankamen, so hatten wir ein paar wunderbar kurzweilige gemeinsame Abende. Und ausgerechnet am vergangenen Wochenende fand hier die siebte Irish Redhead-Convention statt mit diversen Miss- und Misterwahlen, Kunstausstellung, Karottenweitwurf für die Kleinen und Livemusik drum herum. Rund zehn Prozent der Iren haben das sogenannte Ginger-Gen, einen noch größeren Anteil gibt es nur in Schottland. Entsprechend zahlreich bevölkerten eigens angereiste rothaarige, rotbärtige und sommersprossige Menschen den Ort und hielten uns lustigerweise immer wieder für Locals, die man prima nach dem Weg irgendwohin fragen kann, obwohl wir völlig unirisch aussehen mit unserer relativ winterlichen Kleidung. Doch selbst wenn wir helfen können, gilt es immer noch die Sprachbarriere zu überwinden, das irische Englisch ist manchmal ganz schön schwierig zu verstehen.

 

 

Ebenfalls am Wochenende ist das fiese Tief durchgezogen und hat sich für uns nicht allzu schlimm angefühlt, wir haben einen recht geschützten Liegeplatz, konnten problemlos auf Flying Fish arbeiten. Und wir waren tatsächlich fleißig, nicht nur die Schiffs-Grundreinigung ist gemacht! Für unseren Geschmack lief die Maschine am Ende der Überfahrt zu unregelmäßig, wir hatten den Verdacht, dass mit dem zuletzt getankten Diesel etwas nicht stimmt und brauchten eine Fachmeinung, ob die Verschmutzung im Toleranzbereich liegt oder wir den Tank besser reinigen sollten. Nachdem es bei unserer Ankunft zunächst hieß, sämtliche Motorfachleute der Gegend seien im Urlaub, hat der Marina-Chef doch den frisch zurückgekehrten Hugh für uns aufgestöbert und wir hatten direkt beim Kennenlernen ein gutes Gefühl: einen Mechaniker mit den Attributen kompetent, sympathisch, zuverlässig und kommunikativ findet man nicht alle Tage. Tja, leider musste der Dieseltank gereinigt werden. Hugh hat uns eine große Pumpe und weiteres Equipment geliehen und tatsächlich war ein Haufen Dreck auf dem Grund und in den Leitungen, zum Glück aber keine Dieselpest. Und noch etwas Wichtiges ist endlich erledigt, waren wir doch nach wie vor mit der provisorischen Abdichtung auf der Einspritzpumpe unterwegs, die wir auf dem Weg aus der Karibik gebastelt hatten. Auf den Azoren war das Ersatzteil dafür nicht zu besorgen und bevor wir irgendwann in Versuchung geraten wären, das Ganze einfach perkinsblau zu lackieren und es dabei zu belassen, haben wir die Gelegenheit beim Schopf gepackt und auch hierauf den guten Hugh angesetzt. Ganz einfach war es wohl auch für ihn nicht, niemand hatte das Ding auf Lager. Er hat dann eine Geheimquelle angezapft, einen älteren Herrn mit Sammelleidenschaft irgendwo im Norden, der am Telefon sofort meinte, ja, das Ersatzteil habe er da, es sei ihm jüngst letzte Woche aus dem Regal und auf den Kopf gefallen und habe ihn fast erschlagen. Armer Kerl, aber wir sind sehr, sehr happy, dass der Fish-Motor nun wieder so leicht zu starten ist, ganz wie es sein soll.

 

 

Um auch mal Abstand zu all dem Schmutz zu kriegen, haben wir gelegentlich die bequeme stündliche Verbindung von Bus Eireann nach Cork genutzt, Irlands zweitgrößte Stadt und zufällig Partnerstadt von Köln. „The Real Capital“ nennen die Bewohner sie voller Stolz und auch uns hat es dort gefallen. Schon auch nett, die guten alten Dinge mal wieder zu tun: herumschlendern, shoppen, Architektur und Kunst angucken, hier und dort einkehren. Und ein originelles touristisches Highlight haben wir uns angesehen beziehungsweise angehört: im Turm der St. Anne’s Church dürfen Besucher selbst das Glockenspiel läuten. Während der gesamten Öffnungszeiten. Permanent. Wochentags sieben Stunden, an Sonntagen fünf. Das Ganze kündigt sich schon frühzeitig beim Näherkommen an durch ziemlich beliebig klingendes Herumgebimmel. Oben im Turm dann sieht man Leute begeistert an senkrecht gespannten und nummerierten Strippen ziehen, die mit den acht Glocken im Dach verbunden sind. Ein Buch mit Zahlenfolgen macht Melodievorschläge, doch die meisten Besucher, darunter viele Kinder, sind eher freestyle unterwegs. Es klingt wirklich entsetzlich schräg. Ob hier reihenweise Anwohner dem Wahnsinn verfallen, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Frau am Empfang jedenfalls meinte nur lakonisch, es sei ganz simpel, sie würde halt einfach nicht hinhören.

 

 

Tja, und jetzt gleich geht es weiter für uns, Kurs Süd. Ich mag es schon nicht mehr schreiben und wahrscheinlich mag es auch allmählich niemand mehr lesen: der Wind ist mal wieder nicht wirklich passend, das Wetter weiterhin unbeständig, aber uns läuft die Zeit davon. Eigentlich hatten wir geplant, am 10. September zurück im niederländischen Warns zu sein, inzwischen peilen wir den 17. September an. Schauen wir mal, wohin es uns dieses Mal verschlägt. Es durchgehend bis Cherbourg zu schaffen und dort am Freitag oder Samstag anzukommen wäre perfekt, wahrscheinlicher aber ist ein Zwischenstopp in England. Wir melden uns nach der Ankunft, wann und von wo auch immer.

Carsten
August 23rd, 2016 at 7:26 pm

Nun, Liebe Heiks
Wir wissen nicht, was dieser Ludger dort erzählt,
Wir empfehlen Sonne pur auf Texel
Kurze Hosen, sonnenschutz und kaltes holländisches Brand
Heerlijk
Wir freuen uns auf Euch
Liebe Grüße aus dem abendsonnigen Cockpit
Von uns Dreien

Ludger
August 25th, 2016 at 10:33 am

Liebster Carsten, als ich Dich am Sonntag begrüßt habe, sahst Du noch ziemlich chinesisch aus – und auf Texel musst Du schon viel Texel Bier trinken, um karibische Gefühle zu bekommen ;). Viel Spaß Euch Dreien und versucht es mal mit Terschelling, da sind nicht ganz so viele Deutsche! Liebe Grüße vom Schreibtisch, Ludger

Ludger
August 23rd, 2016 at 5:31 pm

Liebe Heiks,
endlich wieder Bilder mit Tropfen an der Plastikscheibe der Kuchenbude und lange Hosen. Es dauert sicher nicht mehr lange und der modisch dunkel gefärbte Teint weicht einem China – blas. Das Neidpotential nimmt da zum Glück wieder ab. Bei dem Wetter wundert es nicht wirklich, wenn eine wesentliche kulturelle Leistung der Iren die Entwicklung einer beeindruckenden Vielzahl unterschiedlicher Regen verdrängender Substanzen darstellt.
Wobei ich nach dem letzten Wochenende auf unserem gemeinsamen Hausrevier auch sehr irische Gefühle entwickelt habe – nur fehlten mir die entsprechend aufhellenden Getränke.
Viel Spaß in der Keltischen See 🙂 und alles Gute. Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger

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