Øye…

Eigentlich sollte heute der Tag sein, an dem wir Stattlandet runden, Norwegens gefürchtetes Westkap. Auf 04:15 Uhr stand gnadenlos der Wecker, doch das ohnehin knappe Wetterfenster hatte sich über Nacht weiter geschlossen, nun hoffen wir auf eine Chance am Wochenende. Dabei wären wir in guter prominenter Gesellschaft gewesen:  Auch Arved Fuchs und Crew haben mit dem Segelschiff „Dagmar Aaen“ hier in Bringsinghaug auf passende Bedingungen gewartet. Sie sind auf dem Rückweg ihrer Klima-Expedition „Ocean Change 2024“, deren diesjähriges Ziel die Bäreninsel zwischen Nordkap und Spitzbergen war. Schon gestern waren sie knapp in Sichtweite vor uns unterwegs und wir haben uns mit großer Freude deren Live-Bordcam zunutze gemacht, um schonmal herauszufinden, was uns hinter den nächsten Ecken erwartet: leider jeweils kein Segelwind. Immerhin hat uns der Expeditions-Podcast die Motorfahrt extrem versüßt – sehr empfehlenswert und kurzweilig (www.arved-fuchs.de). Dazu später die schöne Erkenntnis, dass der Polarforscher und Autor „in echt“ ebenso sympathisch ist wie im Interview. Um 5 Uhr früh hat die „Dagmar Aaen“ abgelegt und ist mittlerweile stramm Richtung Bergen unterwegs. Das Schiff, ein ehemaliger Haikutter von 1931, hat bereits die Nordost- und die Nordwestpassage durchquert und bei 24 Metern Länge und mit 180 PS-Maschine muss die Crew nicht ganz so wählerisch sein, was die Wetterbedingungen angeht.

An Bord von Flying Fish hat sich die besonnene Strategie indes bewährt: Das ungeschützte Seegebiet Hustadvika, seicht und voller kleiner Inseln und Riffe, lag friedlich da, als wir es am Dienstag letzter Woche von Kristiansund aus querten. Erst zwei Stunden nach unserer Ankunft in Bud setzte der nächste Sturm ein und es wurde wieder mal ungemütlich. Wie so oft in den letzten Wochen kamen die zusätzlichen Festmacherleinen zum Einsatz, wir räumen sie schon gar nicht mehr ordentlich weg in der Backskiste, zugleich sind im Kleiderschrank Shorts und Shirts ganz nach hinten gerückt. Ja, diese Wetterlage nimmt kein Ende und uns scheint, dass selbst die Menschen, die auf Norwegian Coastal Radio South die Vorhersagen funken, allmählich resigniert klingen. Für uns waren dennoch schöne Erlebnisse drin: Abgesehen von all den malerischen Anblicken am Wasserwegesrand ein zwar matschiger, aber sehr hübscher Rundgang auf der kleinen Insel Fjørtofta. Und beim nächsten Stopp, in der Jugendstilstadt Ålesund, die wir auf dem Hinweg schon mochten, sogar ein paar echte Sonnenstunden. Außerdem waren Katrin und Klaus, die letztes Jahr zeitgleich mit uns nach Svalbard gesegelt sind, mit ihrer SY Saphir ebenfalls dort eingeweht. Die perfekte Konstellation für einen lecker-gemütlichen Restaurantbesuch am Abend, voller Erinnerungen und Segelgeschichten.

So schön Ålesund ist, wir wollen nicht die ganze nächste lange Schietwetterphase im Stadtzentrum verbringen, uns zieht es in eine Fjordlandschaft etwas westlich des berühmten Geiranger. So lassen wir uns am Freitag zunächst vom Klüversegel gemütlich durch den relativ breiten Hjørundfjord ziehen. Die Landschaft wird immer spektakulärer: steil aufragende, spitze Berge und alle paar Meter stürzt sich ein Wasserfall zu Tal. Wo an Steuerbord der kleine Ort Sæbø liegt, zweigt gegenüber der Norangsfjord ab. Eine Barre in 13 Metern Tiefe sorgt dafür, das keine großen Schiffe bis zu dessen Ende fahren können. Dort liegt der winzige Ort Øye, wo wir für die nächsten vier Tage die einzige Segelyacht am Gästesteg sind. Dieser gehört zum historischen Nobelhotel „Union Øye“, ein sorgfältig restauriertes Haus von 1891, in dem schon Kaiser Wilhelm II und Karen Blixen zu Gast waren. Zum Glück orientieren sich die Liegegebühren an den norwegischen Konventionen, denken wir, während am Wochenende die Gäste per Hubschrauber ein- und ausgeflogen werden. Das Saunahäuschen auf dem Steg, zu mieten für rund 150 Euro pro Stunde, wird von ihnen gut frequentiert. Wir halten uns lieber an die Makrelen unter dem Steg, die gratis sind. Ein wenig schmerzt es, wegen des Sturzregens keinen der Gipfel erklimmen zu können, die rundherum bis zu 1.500 Meter aufragen. Wenigstens können wir die sieben Kilometer lange Storerunda drehen, die jenseits der Straße durch die dampfende und triefende Landschaft des Norangsdalen führt. Und am Dienstagvormittag machen wir Flying Fish noch für ein paar Stunden in Sæbø fest, da reicht die Regenpause genau aus für den Weg auf den 630 Meter hohen Sæbønestua. Von oben schweift der Blick über dieses traumhafte Wanderparadies, das nun fett auf der Liste der Orte steht, die wir irgendwann nochmal besuchen wollen. „Alle Gipfel“ wird dann das Motto sein, diesmal lautete es notgedrungen „alle Folgen von True Detective“.

Suse
August 31st, 2024 at 10:22 am

Könnte jetzt klappen…

Heike
September 1st, 2024 at 12:20 pm

Hat gestern geklappt, wir sind rum!

Svenja
August 30th, 2024 at 3:46 pm

Ich drücke euch die Daumen, dass euch das Wetter am Wochenende gut gesonnen ist und ihr sicher das Westcap passieren könnt.
Das üppige Grün auf euren Wanderungen ist schon beeindruckend. Kommt nur vermutlich auch von dem eher ungemütlichen Wetter. In Hamburg ist es heute auch mal wieder regnerisch bei nur 18 Grad, nachdem wir gestern noch 30 Grad hatten und es selbst abends auf dem Balkon noch super angenehm war,

Heiko
August 30th, 2024 at 8:23 pm

Danke fürs Daumendrücken – vielleicht können wir morgen sogar hart am Wind etwas segeln. Immerhin soll es die nächsten Tage etwas sonniger werden und das hamburger Balkonwetter kommt sicher nach deinem Urlaub für dich wieder.

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