Draußen pfeift es, tost es, grollt es seit gestern. Regen prasselt aufs Deck, Fender quietschen, Wellen klatschen gegen Flying Fishs Rumpf. Viel Anlauf brauchen sie derzeit nicht, um sich aufzubauen. Im Hafen von Tananger (westlich von Stavanger) sitzen wir in unserem kleinen, mit Leinen und Ruckdämpfern gut festgemachten Cocktailshaker und staunen mal wieder, was die Natur kann und wie beeindruckend neun Beaufort sind – es war eine wirklich bescheidene Nacht. Da helfen nur positive Gedanken: Zum Glück liegt das Westkap seit anderthalb Wochen hinter uns, zum Glück haben wir mit der Rundung auf sanfte Bedingungen gewartet. Unheimlich war es dennoch auch diesmal, mit konfuser See, Strömungen, unvorhersehbar wechselnden Winden. Zumindest konnten wir die meiste Zeit segeln, nur am Schluss, auf dem Weg durch den Ulvesund nach Måløy, verließ uns der Wind komplett. Sowieso brach dann eine flautige Phase an, trotzdem haben wir uns so gut wie jeden Tag ein Stück südwärts bewegt – wobei einige Sonnenstunden über die gruselige Bilanz an Motorstunden hinweg trösten konnten. Hovden, Værlandet, Fedje, Strusshamn, Vestrevågen, Gisøya und Espevær waren unsere Stationen seitdem. Vorgestern dann der Wetterumschwung und ein wilder Ritt bei sieben Beaufort und Regen hierher nach Tananger. Endlich mal wieder eine Etappe, bei der die Maschine nur zwecks Ab- und Anlegen zum Einsatz kam. Dazwischen die pure Freude, mit sieben, acht, manchmal neun Knoten durch die Landschaft zu rauschen, die meist gereffte Fock als einziger Antrieb. Allerdings auch große Erleichterung am Ziel, einen geeigneten Liegeplatz ergattert zu haben angesichts der Wetteraussichten.
Der heißgeliebte hohe Norden liegt nun eindeutig hinter uns. Auch hier ist es landschaftlich wunderschön, jedoch viel lieblicher, weniger schroff und extrem. Zugleich ist die Bevölkerungsdichte größer, die Fische, die wir fangen, sind kleiner, die umhercruisenden Motorboote zahlreicher, ganz im Gegensatz zu den Seevögeln. Wale haben wir schon ewig nicht mehr gesehen und hoch über uns kreisende Adler zuletzt auf der kleinen Insel Hovden, die zugleich auch unser letzter einsamer Übernachtungsstopp war: Domba heißt die winzige Bucht im Südwesten, mit enger, steiniger Einfahrt, die man nur bei ruhigen Bedingungen und sehr vorsichtig wagen kann. Es gibt dort einfach nur einen Steg mit Platz für zwei Schiffe, eine liebevoll eingerichtete Hütte und eine Sonnenterrasse, auf die wir uns sogleich fläzen. Wir haben den idyllischen Ort für uns, nur kurz schaut ein norwegisches Paar per Motoryacht vorbei. Die beiden haben Steg und Hütte vor Jahren mit erbaut, zur freien Verfügung für alle Besucher. Sie wünschen uns eine gute Zeit dort und empfehlen noch die Küstenwanderweg zum Leuchtfeuer Kvanhovden Fyr, dessen spektakuläre Lage auf einem Fels wir zuvor schon von See aus bewundert hatten. Ein guter Tipp! Bei der Rückkehr zum Schiff sehen wir erstmals in dieser Saison die Sonne untergehen und Sterne am tiefschwarzen Nachthimmel.
Unsere weiteren Wanderungen auf den Inseln Værlandet und Fedje haben einen ganz ähnlichen Charakter: Bei wenig Steigung führen sie durch moosige, sumpfige Heidelandschaft, manchmal durch Wäldchen. Schafe beobachten interessiert, wie wir versuchen, nicht in ihre Hinterlassenschaften oder tiefe Pfützen zu steppen, und Unmengen Pilze am Wegesrand regen die Abendessen-Fantasie an (bleiben aber ungeerntet, weil wir uns ziemlich sicher vergiften würden). Eine zusätzliche Attraktion gibt es am Sonntag auf Espevær, denn der Weg hier führt zum UFO Circle, entstanden in den 1970er Jahren. Da Kinder, Kaninchen, Pilze, Motorräder etc. als Urheber ausgeschlossen werden konnten, MUSS die Landung eines tonnenschweren außerirdischen Fluggeräts das Oval hinterlassen haben. Passend zu dieser These ist der Weg nicht nur beschildert, sondern auch durch zahlreiche grüne Plüschaliens gekennzeichnet, und immer wieder gibt es nette Picknickplätze, Schaukeln und Kletternetze. Außerdem haben die Bäume Augen. Falls wer mit Kindern in diese Gegend kommt: nichts wie hin. Attraktiver für uns waren die Stopps zwischendrin: mit Anker und Landleinen in der Bucht Vestrevågen der Insel Horgo und am Steg im Brandasund. Denn endlich – und wahrscheinlich zum letzten Mal in dieser Saison – kam unser Microfish-Seekajak wieder zum Einsatz. Besonders die Paddeltour rund um die schroffe Insel Gisøya mit Abstecher zum Slatterøy Fyr (s. Blogbild) war fantastisch.
Langsam nimmt der Wind nun ab und wir überlegen, wie es weiter geht. Eigentlich wäre morgen ein prima Segeltag. Und wir sind inzwischen so weit in Norwegens Süden, dass wir von hier aus sogar ein halbwegs stabiles Wetterfenster nutzen könnten, um direkt zu den Westfriesischen Inseln zu segeln. Aber Bølgevarsel, die hiesige Wellenwarnungs-App, meldet aktuell eine signifikante Wellenhöhe von 5,60 Meter. Das bedeutet ein Maximum von fast 11 Metern – braucht kein Mensch auf einem Segelboot. Wir werden also schauen, wie es morgen früh aussieht und dann über die nächste Etappe entscheiden.
PS: Ein paar von euch haben es schon gemerkt, unsere aktuelle Position (und die anderer Schiffe) ist über www.marinetraffic.com oft nicht zu finden. Derzeit funktioniert www.vesselfinder.com deutlich besser!
Hoffentlich hält euer Wetterfenster,‼️ wir drücken euch die Daumen, dass es nicht so hart wird. Lbgr hup
Euch einen guten Endspurt! Ich verabschiede mich bis Ende September in den Urlaub 😁
das hört sich hart an. In so einer Nussschale bei so starkem Wind. Kommt gut heim!
Gruss Falko
Guten Endspurt für euch
Auf einmal seid ihr fast wieder bei uns…
Eben noch hoch oben, und auf einmal beinah in Sichtweite.
Trotzdem, seid weiter umsichtig
Wir halten im Ausguck nach euch Ausschau
LG von den KNUTT’is
Schön von Euch zu lesen. Gerade funktioniert mal wieder MarineTraffic und wir sehen, dass Ihr Euch der niederländischen Küste nähert. Drücken die Daumen, dass der Wind hält!! Tolle Bilder.