66°33‘55“ N – Polarsirkelen

Der Sturm war tatsächlich nach einem Tag vorbei, so konnten wir uns die Insel Vega ansehen und sind gemütlich in kurzen Etappen weiter gesegelt. Unser absoluter Lieblingsort der letzten Woche: Rødøya, eine kleine Insel mit großem Berg aus rotem Stein und ansonsten nur einer Handvoll – anscheinend unbewohnter – Häuschen. Wir kommen am Nachmittag an und laufen direkt los, denn gleich zwei Wanderhighlights wollen entdeckt werden. Beziehungsweise will das erste vielleicht gar nicht entdeckt werden, denn die Markierung des Weges ist ungewohnt lückenhaft, so dass wir immer wieder in verschiedene Richtungen ausschwärmen, bis der nächste rote Punkt gefunden ist. Kurz vor dem Ziel dann das krasse Gegenteil, plötzlich hängen die Bäume voller wegweisender Piktogramme, verstehe das jemand… Jedenfalls finden wir ihn letztlich, den „Rødøy Skier“, eine mindestens 4.000 Jahre alte Felsritzung, ziemlich gut erhalten und umgeben von ein paar anderen, weniger leicht erkennbaren Motiven. Zwar gibt es auch die Meinung, die Figur stelle einen Jäger in einem Boot dar, doch den meisten gilt sie als Indiz, seit wie langer Zeit die Menschen sich hier schon auf Skiern fortbewegen. Auch wir sehen trotz aller Affinität zur Fortbewegung auf dem Wasser eindeutig: Skier.

Nach all den Irrwegen wird es etwas hektisch, doch wir schaffen es noch pünktlich zum abendlichen Zauberlicht auf den Gipfel des Røyfjellet. Der Weg führt über Felsen und Steine steil bergauf, ganz ohne Matsch und Verlauf-Gefahr. Oben dann ein Wahnsinns-Rundumblick, in der Ferne sehen wir Flying Fishs Mastspitze in der Rødøyvågen-Bucht. Doch besonders freut uns der Blick gen Westen, auf die Rückseite der „Syv Søstre“, der berühmten Sieben-Schwestern-Bergkette auf der Nachbarinsel Alsten. Denn schon zeichnet sich ab, dass wir deren Vorderseite morgen bei der Weiterfahrt gen Sandnessjøen aufgrund des Wetters eher nicht werden sehen können. Richtig vermutet!

Wir hätten gut so weiter tingeln können, doch ganz langsam neigt sich unsere Reisezeit dem Ende zu und plötzlich kommt Unruhe auf: Ursprünglich war mal die Stadt Bodø als Winterlagerplatz angepeilt, dann aber haben wir (aufgrund der Empfehlung einer erfahrenen niederländischen Seglerin, Umfragen unter Norwegern und Preisvergleichen) vor ein paar Wochen beschlossen, die Flying Fish etwas weiter südlich in Nesna zu lassen. Beim Näherkommen die Erkenntnis: Nesna liegt knapp unterhalb des Polarkreises, Mist, so kurz davor festmachen und nach Hause fahren?! Die Vorhersagen kündigen genau zwei Tage mit kräftigen südlichen Winden an, bevor es erst flautig wird und dann aus Nord wehen soll. Wir entscheiden uns, den Südwind als Auftakt für eine Extrarunde zu nutzen, lassen Nesna an Steuerbord liegen und rumpeln am Samstag bei 5 bis 6 Beaufort über die unsichtbare magische Linie und am berühmten Arctic Circle Monument vorbei. Unsere lustigen Pläne, dort ein wenig auf Drift zu gehen, eine Polartaufe vorzunehmen und gepflegt anzustoßen, können wir allesamt vergessen, denn das Meer ist wild. So freuen wir uns einfach, dass der Wolkenvorhang sich im richtigen Moment für uns lichtet und genießen immerhin einen schnellen Schluck Portwein aus der Flasche – für Neptun gibt es natürlich auch einen. Der entspannte Genuss folgt später, sicher festgebunden am Steg von Hestmannøy. Allzu genau muss man es eh nicht nehmen, denn mit der Neigung der Erdachse verlagern sich auch die Polarkreise, um gut 14 Meter pro Jahr. Der Hafenmeister jedenfalls behauptet am nächsten Morgen, die Linie verlaufe gerade direkt durch unser Schiff.

Ruby Tuesday
August 31st, 2022 at 8:44 am

Congratulations on making it so far north, despite the opposition from the weather! Stunning scenery.

Heiko
August 31st, 2022 at 11:59 am

We actually had the dubious pleasure of having the worst summer in 40 years and yet we fell in love with Norway.

Suse
August 31st, 2022 at 8:36 am

So, jetzt ist auch genug. Soviel Abenteuer hält ja keiner aus. Kommt nach Hause, dann gibts lecker Ottolenghi!
Liebe Grüße

Heike
August 31st, 2022 at 11:58 am

Nur noch diese kleine Extrarunde, und schon fallen wir in Höllenhagen ein! Ick freu mir!!

Svenja
August 30th, 2022 at 8:11 am

Liebe Heiks,
Glückwunsch zur Überquerung des Polarkreises! 🍾
Auch wenn ich sehr gut verstehen kann, dass ihr das Ende eures Törns noch gerne in weite Ferne schieben möchtet, so ist die Freude bei mir und den Kolleg*innen doch extrem groß, dass Heiko bald zurück ist 😀
Liebe Grüße, Svenja

Heiko
August 31st, 2022 at 11:51 am

Hey Svenja,
das geht jetzt ganz schnell, dass wir nicht mehr als Fishes unterwegs sind, sondern wieder als Heike und Heiko in unser zweites Leben eintauchen – auch wir freuen uns schon darauf!

Elisa
August 29th, 2022 at 9:40 pm

Oh ein Niepoort Ruby, der Neptun hat’s ja gut 😁 wow so beeindruckend einfach die Natur dort und was für ein tolles Erlebnis zum Abschluss! Genießt noch die Polarluft bevor es wieder in die Stadtwüste geht.
Alles Liebe aus Belgien zu euch!

Heike
August 31st, 2022 at 11:51 am

Ehrlich gesagt war der Schluck für Neptun diesmal so winzig, dass wir eigentlich zur Strafe direkt hätten sinken müssen. Und rate mal, wo das feine Stöffchen herkam… 😉

Ludger
August 29th, 2022 at 8:04 pm

Hallo ihr Beiden Polarbären,
vor unserer Pharos wollte ich mal einen Polarbären, konstruiert von Dick Zaal kaufen – der hätte unsere Bordkasse und unsere handwerklichen Fähigkeiten sehr überfordert… Ihr habts geschafft – GLÜCKWÜNSCHE für so eine gelungene Reise vom Schreibtisch. Wir freuen uns schon, euch im Herbst zu bewirten, damit ihr die vielen Bilder mit Wein unterlegt noch einmal nacherzählen könnt. Grüße, Ludger

Heike
August 31st, 2022 at 11:47 am

Das betrachten wir mal als Einladung und freuen uns auf den Herbst und euch!

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