Es muss nicht immer Kaviar sein

Ganz kurz bevor uns endgültig Kiemen gewachsen sind, haben wir die Tobago Cays verlassen und sind nun in der Saline Bay auf der Nachbarinsel Mayreau, der kleinsten der bewohnten Grenadinen-Inseln (die berühmtere Salt Whistle Bay nebenan war komplett überlaufen mit nervig-lauten Chartertouristen, so dass wir sie nach einer Nacht verlassen haben). Es gibt hier ein namenloses Dorf mit einer hübschen Kirche, eine einzige Straße, die zwischen den beiden genannten Buchten verläuft, dazu eine Handvoll Autos. Was es nicht gibt, ist eine Quelle, alle Haushalte sind deshalb an Regenwasser-Zisternen angeschlossen. Rund 200 Menschen leben auf Mayreau auf drei Quadratkilometern. Der erste, den wir davon kennengelernt haben, war Dennis, der ein Guest House mit tollem Bar-Restaurant betreibt: Dennis‘ Hideaway. Er wollte wissen, wo wir herkommen, hatte wohl so einen Verdacht wegen unseres nicht gerade akzentfreien Englisch, und erzählte prompt, er habe ein paar Jahre in der Nachbarschaft meines Geburtsortes Iserlohn gelebt, in Hemer und Hagen. Direkt wurden wir auf ein Bier und viele Geschichten eingeladen und mussten ziemlich lachen ob der mittelbizarren Situation, hier unter Palmen von einem gebürtigen Grenadiner das Sauerland-Lied vorgesungen zu bekommen: …Sauerland, where the girls are wilder than the cows…

 

 

Tja, was es neben Quellwasser auf Mayreau ebenfalls nicht gibt, ist eine gute Auswahl an Lebensmitteln. Von zwei Minimarkets war einer geschlossen, unsere ganze Ausbeute bestand heute aus drei Gurken und ein paar winzig kleinen Äpfeln. Die Jagd nach Essbarem ist fester Bestandteil der Ankunftsroutinen an jedem neuen Ort. Zunächst suchen wir das beste Dinghi-Dock aus (geht nämlich das Beiboot im Schwell irreparabel kaputt, ist man in dieser Gegend ziemlich aufgeschmissen) dann folgt die gründliche Sichtung des Angebots sämtlicher Shops. Das sind oft ganz schön viele, in der Tyrrel Bay und auf Petite Martinique zum Beispiel jeweils mindestens fünf und in Clifton rund sieben, dazu – im Idealfall, hier auf Mayreau leider Fehlanzeige – noch die Stände der Straßenhändler. Luxustempel wie „REWE“ gibt es nicht auf den Inseln (nicht mal „REWE City“), die Lädchen heißen Twilight, First Stop, Uptown oder Captain Gourmet und haben oft erstaunlich zusammengewürfelte Sortimente. Einen Einkaufszettel kann man sich getrost sparen, gekauft wird, was es gerade gibt bzw. was erschwinglich ist. Letzteres trifft auf sämtliche Yoghurt- und Käseprodukte leider nicht zu, auch Fleisch ist teuer und kommt selten auf den Tisch, Artikel wie ungesüßtes Müsli sind schlicht nicht erhältlich. Obst und Gemüse kaufen wir trotz der hohen Preise, es droht also kein Skorbut (das Blogbild zeigt unsere Lieblings-Dealerin auf Carriacou, „Big Mama“ mit Team). Uns sind indes viele vergessene, ganz einfache Gerichte wieder eingefallen. Arme Ritter zum Beispiel: man lässt labbriges Weißbrot sich mit verschlagenem Ei vollsaugen und backt es in der Pfanne knusprig aus. Oder es gibt schlicht Pumpernickel (aus Spanien) mit Sardinen aus der Dose (aus Portugal) und Cornichons (aus Deutschland). Oder Baked Beans mit irgendwas. Nicht gerade Haute Cuisine, aber völlig okay.

 

 

Ohnehin wird es bald besser mit der Versorgungslage: morgen segeln wir weiter gen Norden nach Mustique und treffen dort endlich, endlich unsere lieben alten „Balous“ wieder. Sie sind vor einer Woche auf Martinique eingetroffen, wo man gut einkaufen kann, und segeln uns von dort aus über Nacht entgegen mit vollen Schapps und Kühlfächern. Doch das kommt jetzt möglicherweise falsch rüber: Beate und Reiner, wir würden uns ohne den Lieferservice keinen Deut weniger auf Euch freuen, selbst die wahrhaft verfressene Hälfte von uns!

Ludger
Februar 13th, 2016 at 1:33 pm

Ich muss zugeben, dass ich das Sauerlandlied erst googeln musste – aber die Zeile „Wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen.“ hat mich auch stark beeindruckt! Grüße vom Schreibtisch, Ludger

Sven
Februar 10th, 2016 at 12:54 pm

Oh, welcher Dichter nur hätte diesen Satz, der wohl aus Volkes Munde stammt, denn seinerseits ersinnen können? Mich dünkt, es gebe wohl keinen unter der Sonne, den die Muse so geküsst, dass er ihn hätt‘ gebären können …
Dieser Satz gehört in Stein gehauen: „Sauerland, where the girls are wilder than the cows…“
… und im Sauerland sollen ja die Kühe ganz schön wild sein.

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