
Das Wetterfenster kam früher als gedacht und es war ein gutes: Bereits am Donnerstagmittag verabschieden wir uns von französischen Huîtres, Rillettes und Galettes, werfen die Leinen los und verlassen das quirlige Les Sables d’Olonne meerwärts, eskortiert von einem Jetski-Geschwader. Dann, draußen, wird es Stunde um Stunde einsamer, nur ein paar Delfine schauen vorbei (Orcas glücklicherweise nicht, für alle Fälle haben wir einen Pinger dabei, der sie durch Geräusche abschrecken soll). Der Wind weht um drei, vier Beaufort, wir wechseln zwischen Blister und Klüversegel hin und her. Eine kleine Gewitterzelle verfehlt uns netterweise, schon geht es in die erste stockfinstere Nacht, der Mond hat einen späten und schwachen Auftritt. So wird Vorfreude auf den Sonnenaufgang generiert! Der läutet einen freundlich-ereignisarmen Freitag ein. Wir sind faul, müssen nur selten etwas am Segeltrimm ändern, Flying Fish fliegt von selbst mit sechs bis acht Knoten über das relativ glatte Wasser. Während der Abenddämmerung kommt das spanische Festland in Sicht und kurz nach Mitternacht sind die knapp 200 Seemeilen Mini-Biskaya-Crossing dann geschafft, unser Anker fällt vor der Marina des Bilbao-Vorortes Las Arenas. Bevor wir uns am Morgen dort hinein verholen, versuchen wir uns beim ersten Kaffee schnell noch ein paar nützliche nautische Vokabeln draufzuschaffen. Zum Beispiel ist es immer hilfreich, vor dem Anlegen über Funk herauszufinden, auf welcher Seite des zugewiesenen Liegeplatzes sich der Finger-Pontoon befindet. „fingerporn tun“ versteht die Übersetzungsapp und empfiehlt uns, nach „pornografía con los dedos“ zu fragen. Das wird sicher noch lustig in Spanien.
Wir sind zu einer guten Zeit angekommen, am Samstag beginnt die wichtigste und größte Fiesta von Bilbao: Aste Nagusia, die Semana Grande. Nicht gewöhnliche sieben, sondern neun Tage hat diese Festwoche rund um die baskische Kultur mit ihren Konzert-, Theater- und Folkloreaufführungen. Mit der Metro sind die zehn Kilometer bis ins Zentrum schnell geschafft. Viele Tausend Menschen tummeln sich hier, die Stimmung ist ausgelassen. Fast alle haben ein blau-weiß gemustertes Halstuch umgebunden, als Symbol der Zugehörigkeit und festlichen Gemeinschaft, da möchten auch wir nicht außen vor bleiben. Und noch etwas fällt auf: die allgegenwärtigen Palästina-Flaggen. Die Solidarität mit den Palästinensern ist hier riesig und das wird gezeigt. Wir lassen uns stundenlang durch die engen Gassen treiben, bummeln am Río Nervión entlang und erklimmen die Hügel der Stadt – was natürlich hungrig macht. Dagegen helfen hervorragend Pintxos, in dieser Region typische fantasievolle kleine Happen, die auf einer Scheibe Brot angerichtet und mit einem Zahnstocher zusammengehalten werden. So probieren wir uns von Bar zu Bar, mehr Abwechslung geht kaum, die Konstante ist der weiße, trockene Txakoli-Wein, der so perfekt dazu passt. Immer um 22.30 Uhr hält Bilbao dann für eine Weile inne, Stadtbeleuchtung und Musik werden ausgeschaltet und Feuerwerk erhellt krachend den Nachthimmel. Bei diesem internationalen pyrotechnischen Wettbewerb ist jede Nacht ein anderes Land dran. Doch egal welches: Kaum verglüht die letzte Rakete, wird energisch weiter gefeiert und auch wir schauen, ob wir noch irgendwo Musik finden, die uns mitreißt.
Es war also viel Party in den letzten Tagen, aber natürlich nicht nur! So nehmen wir an einem der trockeneren Tage statt der Metro die Räder und fahren am Río Nervión entlang. Erster Stopp: die Puente Colgante, einzigartige Hängebrücke mit Schwebefähre, ab 1887 erbaut und UNESCO-Weltkulturerbe. Nach ausgiebiger Bestaunung (und einem kurzen Trip mit der Gondel zum gegenüberliegenden Stadtteil Portugalete für die bessere Perspektive) geht es weiter durch die Vororte, wir sehen eine wilde Mischung aus alten Hafen-, Industrie- und Werftgebieten und moderner Stadtentwicklung, eine spannende Gegend im Wandel (im Wandel ist derzeit auch der Radweg, wir würden ihn nicht bei Dunkelheit empfehlen). Auch den markanten und bekannten Gebäuden und Monumenten der Stadt schenken wir gebührende Aufmerksamkeit. Das absolute Highlight aber ist für uns der Besuch des weltberühmten Guggenheim Museums. Vor Jahren waren wir schonmal auf dem Landweg hier und die Vorfreude ist unbändig. Wir sehen alte Bekannte wieder wie die fantastische Riesenspinne „Maman“ von Louise Bourgois, Jenny Holzers laufende Displays und die tonnenschwere begehbare Stahl-Installation von Richard Serra. Und wir entdecken so unglaublich viel Neues, Faszinierendes, Überwältigendes in diesem irren Gebäude. Wie schon beim letzten Besuch ist klar, dass wir wiederkommen werden – des Museums und der Stadt wegen. Oder aber wir bleiben gleich hier, denn Wind und Wellen sind derzeit grätzig und lassen uns eh nicht recht weiter.
Y Viva España!
Da würde ich jetzt gerne mit euch tauschen, aber die Fotos und euer Bericht tun es fürs erste auch. Ganz lieben Dank dafür und euch weiterhin eine tolle Zeit in Spanien.
Liebe Grüße aus Hamburg, Svenja
Oh
I Like it 🥰
Einfach grandios, schon das ihr uns immer wieder mitnehmt.
Ich nehme auch schon vom Lesen zu 😜
Viel Spaß und Glück weiterhin
Euern Pinger hab ich glatt für einen neuartigen Köder für Heikos Großfischjagdambitionen gehalten 😂😂
LG (leider aktuell nicht vom KNUTT)
Von den KNUTTis
Wale sind keine Fische 😉