En Vendée

Die Bretagne mit ihren rauen Küstenlandschaften und malerischen Fischerdörfern liegt weit im Kielwasser. Letzte Woche, bei der Ansteuerung von Pornichet, wurde uns das erstmals so richtig bewusst. War Quiberons Beachfront noch geprägt von charakteristischen Badeort-Villen, die während unseres Besuchs einem Schwimmwettkampf als Kulisse dienten, sehen wir hier hinter einem endlosen Strand funktionale, mehrstöckige Architektur für wahre Touristenmassen. Nachwuchs-James-Bonds auf Jetskis erinnern an zornige Hornissen, ein Motorboot zieht mit Parachute-Fliegern seine Kreise. Aha, sie können auch anders, die Atlantik-Franzosen! Doch Pornichet ergibt sich als Treffpunkt mit der in Gegenrichtung segelnden SY Ashona, die wir auf keinen Fall verpassen wollen. Mit Christian waren wir vor zwei Jahren zeitgleich im arktischen Svalbard, das verbindet. In der Zwischenzeit hat er mit Freundin Barbara eine Karibikrunde gedreht und ist auf dem Rückweg. Mühelos finden wir ein nettes Restaurant und eine Bar für danach, verbringen einen wunderbar kurzweiligen Abend voller Erinnerungen, Ideen, Zukunftspläne. Und der Markt, auf dem wir am nächsten Morgen einkaufen, ist einer der größten und buntesten bisher. Da verzeihen wir ein paar Bausünden und den Waterfun-Trubel natürlich gern.

Zumal es am nächsten Tag direkt weiter geht nach L’Herbaudière auf der Île de Noirmoutier, im Guidebook völlig zurecht beschrieben als „well worth exploring“. Im Hafen ist Päckchenliegen angesagt, wir sind das mittlere Boot von fünf. Als am nächsten Morgen neu gemischt wird, rücken wir auf den Stegplatz ganz innen. Gut und praktisch, um die Fahrräder auszuladen! In zwei Tagen radeln wir 80 Kilometer kreuz und quer über die abwechslungsreiche Insel, Sonne auf der dick eingecremten Haut, Pinienduft in der Nase, kühlender Fahrtwind im Gesicht. Es fliegen vorbei: Traumstrände, hübsche Häuser und Gärten, alte Windmühlen, Verkaufsstellen für Austern und anderes Meeresgetier, gemütliche Orte, trockenfallende kleine Häfen. Immer wieder halten wir an, wenn wir Salzgärten passieren, die etwa ein Drittel der Inselfläche ausmachen. Meerwasser verdunstet hier langsam in flachen Tonbecken, wodurch das Salz auskristallisiert. Es hat etwas Meditatives, wie die Salzbauern das wertvolle Fleur de Sel behutsam mit einem speziellen Holzschieber abschöpfen und zu spitzen Inseln auftürmen – sorgfältige Handarbeit, für die Maschinen zu unsensibel sind. Auch bei der Passage du Gois halten wir uns eine Weile auf. Die etwa vier Kilometer lange Straße verbindet die Île de Noirmoutier mit dem Festland und ist immer nur rund um Niedrigwasser befahrbar, für etwa drei Stunden. Dann stauen sich hier die Autos und im schlammigen Sand rechts und links der Straße suchen die Gezeitenfischer ihr Glück bzw. frische Meeresfrüchte beim Pêche à pied. Jeder hat die Uhr im Blick, denn die Flut kommt schnell, bei Hochwasser liegt die Passage bis zu vier Meter unter Wasser.

Wir könnten uns gut noch länger auf der Insel aufhalten, doch nachdem zwei Nächte lang die Crews von vier Päckchen-Nachbarbooten über unser Schiff an Land gegangen, getrampelt, gestolpert und nur in Ausnahmefällen elfengleich geschwebt sind, ist es Zeit für ein bisschen Frieden vor Anker, im Süden der Île d’Yeu – von wo aus sich gleich am nächsten Morgen ein perfektes Windfenster auftut, um Les Sables d’Olonne zu erreichen. Da sind wir jetzt, in der trubeligen Hafen-, Fischer- und Badestadt, bekannt als Start- und Zielpunkt der legendären Vendée Globe-Regatta, die seit 1989 alle vier Jahre stattfindet. Auf der Promenade Remblai, parallel zum Grand Plage, gibt es einen maritimen „Walk of Fame“, wo die Gewinner des Einhandrennens (allesamt Franzosen!) stilecht mit Hand- oder Fußabdruck auf großen Bodenplatten verewigt sind. Nur die Ehrung von Charlie Dalin, dem diesjährigen Sieger mit neuer Rekordzeit, finden wir nicht. Dafür aber hübsche Stadtviertel, eine erstklassige Versorgungslage und lebendige Kneipenszene… Wie weiter von hier aus? Ein logisches (und interessantes) nächstes Ziel wäre die Île de Ré mit ihren gezeitenabhängigen Häfen. Wir wollen jedoch allmählich nach Spanien, warten auf ein passendes Windfenster, da macht es keinen Sinn, nur um Hochwasser starten zu können. So bleiben wir noch ein wenig hier, genießen Stadt- und Strandleben, erledigen Wartungs- und Reinigungsarbeiten, planen unser Winterlager und hoffen auf eine Crossing-Chance am Freitag oder Samstag. Sollte die sich zerschlagen, sehen wir weiter.

Heidi Wulf
August 14th, 2025 at 10:39 a.m.

Das ist Seglerleben vom Feinsten, Päckchenliegen muss man da ertragen und ist am Anker vergessen.
Wir haben jetzt Troyes erreicht und kühlen uns in der noch jungen Seine ab bei über 30 Grad.. LG hup

Heike
August 18th, 2025 at 11:15 a.m.

Genau so ist es und die Abwechslung macht Spaß! Wir grüßen von Spanien nach Frankreich

Suse
August 13th, 2025 at 2:51 p.m.

Ach, wieder mal, als wäre man dabei … fast.
Eine gute Überfahrt wünschen wir!!

Heike
August 18th, 2025 at 11:09 a.m.

Dankeschön, hatten wir! Jedesmal schön, euch auf unserer Schulter zu wissen!

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