Sailing Valley

Wir waren ein zweites Mal im schönen Port-Louis, nicht ganz freiwillig: Bei der Ausfahrt aus Concarneau tritt plötzlich ein seltsames Motorgeräusch auf, gleichzeitig läuft die Maschine nur noch mit maximal 1.400 Umdrehungen pro Minute. Zwischen den Îles de Glénan ankern wollen wir unter diesen Umständen nicht, nehmen stattdessen unter Segeln Kurs auf Lorient, werfen den Autopiloten an und beginnen zu recherchieren. Unser Verdacht: Irgendetwas blockiert den Faltpropeller. Kurz vor dem Ziel, in ruhigerem Wasser, machen wir Flying Fish kurz an einer privaten Boje fest, Heiko verschwindet unters Schiff und taucht mit einem Büschel Grünzeug wieder auf. Doch die Drehzahl-Problematik bleibt bestehen und der Klang gefällt uns auch nicht. Da die Marina von Port-Louis direkt um die Ecke ist, machen wir dort fest und tüfteln uns einen Tag lang durch alle möglichen und unmöglichen Ursachen, bis wir defekte Bowdenzüge, Probleme mit der Dieselzufuhr und vieles mehr ausschließen können. Letztlich telefonieren wir herum und finden einen Mechaniker, der sich den Motor ansehen kann. „Elvis lebt!“ denken wir am nächsten Morgen angesichts seines Looks, doch er geht sehr kenntnisreich und systematisch vor, macht das eindeutig nicht zum ersten Mal. Und da war es also wieder, das tiefsitzende, mittlerweile zwölf Jahre alte Heiks-Perkins-Trauma: Die Maschine ist in bester Ordnung inklusive Klang. Es ist schlicht der Drehzahlmesser, der nicht mehr funzt. Oder er bekommt falsche Informationen, das müssen wir noch herausfinden.

Nachdem die Anspannung nachgelassen hat, schauen wir uns noch Lorient an, das bequem und günstig per Pendelfähre erreichbar ist. Die City finden wir eher unspektakulär, doch das südlich gelegene Viertel Keroman ist dafür umso spannender. Hier befindet sich „La Base“, die U-Boot-Basis von Lorient, gebaut – natürlich – von den Deutschen während WWII und heute schlau umgenutzt für zivile und touristische Zwecke. Wir nehmen an einer Führung durch den Bunker K3 teil und staunen über die fiesen Unmengen Beton, die uns umgeben, und die View, die sich vom Dach aus bietet. Auf die Besichtigung des französischen U-Bootes „Flore“ und weiterer Museen hingegen verzichten wir und schauen uns lieber ein wenig um. Denn um die Bunker herum (und teilweise darin) ist ein Hochseeregatta-Zentrum entstanden, namhafte Teams haben ihre Werkstätten und Stützpunkte eingerichtet und das Hafenbecken wurde zum Sportboothafen umfunktioniert. Gigantische Ultim-Trimarane (32 Meter lang und gefühlt fast ebenso breit) sind hier ebenso festgemacht wie Class 40 und Open 60 (Imoca). Schöne Überraschung: Auch die „Malizia“, mit der Profi-Segler Boris Herrmann zwei Mal einhand im Rahmen der weltweit härtesten und extremsten Regatta, der Vendée Globe, um die Welt gebrettert ist, liegt am Steg. Gerade wird innen wie außen an ihr getüftelt und wir werfen gleich auch noch einen kurzen Blick in die nahe Werkstatt. Ganz schön klein und fragil sieht das berühmte Boot aus der Nähe aus. Nicht dass wir Ahnung von der Konstruktion von Imocas hätten, aber insbesondere für polare Gewässer würden wir immer auf die unbefoilte, gemütliche Flying Fish setzen.

Es folgen ein paar entspannte Tage: Wir ankern im Osten der Île de Groix, dann im Westen und im Osten der Belle-Île-en-Mer, schließlich im Osten der kleinen Île d’Houat, deren Ankerfeld so riesig und gut besucht ist, dass es karibisch anmutet. Das Wetter wechselt zwischen sonnig und wolkig, windig und flautig, wir unternehmen Ausflüge und kleine Wanderungen. Einmal (und erstmals in dieser Saison) erreichen wir sogar ein Gipfelkreuz. Es wurde in gigantischen 30 Metern Höhe errichtet… Inzwischen sind wir wieder am Festland, in La Trinité-sur-Mer – und haben uns hier mit wahrhaft alten Steinen befasst: Mit dem Fahrrad sind die berühmten Menhire von Carnac zu erreichen, eine der bedeutendsten megalithischen Stätten Europas. Vor rund 7.000 Jahren haben Menschen hier über eine Länge von fast vier Kilometern etwa 3.000 große, schwere Steinmonolithen in Reihen angeordnet. Warum? Weiß man nicht. Die Gründe mögen kultisch, religiös, astronomisch oder mystisch sein. Für uns fühlt es sich schlicht faszinierend an, dass dieses Kulturerbe so lange Zeit überdauert hat und immer noch Rätsel aufgibt. Zurück in La Trinité ist Party am Steg nebenan: Auch dieser Ort gehört zu Frankreichs „Sailing Valley“, wie die bretonische Südküste von Quimper bis Vannes bezeichnet wird. Gerade werden lautstark und leidenschaftlich die Boote und Crews in Empfang genommen, die vom Fastnet Race zurückkehren. Die Menschen hier sind wahrhaft stolz auf ihre Segelhelden. Allerdings müssen die Helden auch vor den Augen aller aus halber Masthöhe ins Wasser hüpfen.

Svenja
August 3rd, 2025 at 11:14 a.m.

Liebe Grüße aus dem kalten und regnerischen Hamburg an euch Gipfelstürmer. Meine Daumen sind gedrückt, dass der Motor jetzt wieder problemlos funktioniert! Kann mich noch gut an die Berichte über Frau Perkins erinnern 😩
Die Malizia und weitere Imocas werde ich nächsten Sonntag in Kiel sehen, da startet das Ocean Race Europe. So nah dran wie ihr wart, werde ich aber sicher nicht kommen.

Heiko
August 4th, 2025 at 12:28 p.m.

Malizia ist schon beeindruckend und ein deutlich anderer Ansatz: mal eben nach Hamburg segeln- wir haben unsere halbe Auszeit für deutlich weniger Strecke gebraucht…

Heidi Wulf
August 3rd, 2025 at 9:28 a.m.

Große Erleichterung, wenn so ein Fehler erkannt ist und behoben werden kann. Ihr seid im Mekka des Segelsports.
Wir starten morgen gen Holland und hoffen auf besseres Wetter. Wünschen euch weiter eine gute Reise. LG hup

Heike
August 4th, 2025 at 12:12 p.m.

Ahoi hup, dankeschön und wir drücken euch sowas von die Daumen für feines Holland-Wetter! Sind gespannt, wo es euch dort hin verschlägt…

Ludger
August 2nd, 2025 at 6:26 p.m.

Lieber Heiks, schön von euch zu hören/lesen. Euch geht’s offensichtlich sehr gut.
Ich hab mal gegoogelt: die Fa Perkins bietet traumatisierten Perkianern sogenannte Gewöhnungsfahrten mit altersschwachen Motoren an! Das wäre doch was für euch!
LG Ludger im Wochenendmodus

Heike
August 4th, 2025 at 12:09 p.m.

Lieber Ludger, coole Idee, behalten wir im Hinterkopf, probieren es aber erst noch eine Weile mit der Beta-Konfrontationstherapie 😉

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