
Wir haben sie unbeschadet überstanden, all die Eddys, Races, Untiefen und Widrigkeiten um die Kanalinseln, sogar ohne allzu große Verunsicherungen. Denn merke: Segeln im Gezeitenrevier fühlt sich nicht nach Individualtourismus an! Eine Gegend, in der der Tidenhub bis zu zwölf Meter betragen kann, nimmt jeder Skipper ernst und berechnet sorgfältig mögliche Zeitfenster. So legen in Cherbourg ein Dutzend Yachten ungefähr zur gleichen Zeit ab wie wir und drehen den Bug westwärts. Die meisten biegen später links ab und bleiben küstennah, eine Handvoll steuert ebenfalls die Kanalinseln an, dieses Stück Großbritannien so nah an Frankreich. Dabei sind die Inseln weder Teil des Vereinigten Königreichs noch britisches Überseegebiet, sondern haben den Status von Kronbesitzungen. Sie unterstehen unmittelbar dem König, handeln aber bei inneren Angelegenheiten vollkommen selbstständig, haben sogar eigene Währungen (das Guernsey Pound und das Jersey Pound), Briefmarken und KfZ-Nationalitätskennzeichen. Soweit die Theorie, für uns fühlt es sich unter dem Strich an wie ein Besuch in England: Die Locals sind unfassbar freundlich und zuvorkommend, es gibt an jeder Ecke Fish’n‘Chips – und wo gefahren wird, wird links gefahren.
Unser erstes Ziel ist die nördlichste und drittgrößte Insel, Alderney. Im dortigen Braye Harbour gibt es keine Stege, sondern es liegen Mooringbojen aus: orangefarbene für Locals, gelbe für Besucher. Wir entscheiden uns für Nummer 19, die im Schutz der gewaltigen Kaimauer liegt, und kaum sind wir fest, kommt auch schon das Boot der Harbour Authority längsseits. Der sympathische Hafenmeister kassiert die Gebühr für die Boje, erklärt uns, wo Dinghydock und Dusche zu finden sind und wie die Einklarierung funktioniert: An Land befindet sich ein Kasten mit Formularen, von denen eins pro Schiff auszufüllen und in einen zweiten Kasten einzuwerfen ist. Danach dürfen wir die gelbe Flagge, die man vor dem Klarieren unter der Steuerbordsaling setzt, einholen und sind direkt auch auf Guernsey und Sark „legal“. Nun ja, ganz legal sind wir nicht, denn ein Schlumpf auf Flying Fish ist mit abgelaufenem Reisepass unterwegs. Doch das Interesse an solchen Details scheint hier zum Glück nicht allzu groß und – Spoiler! – niemand wird je nachfragen. Die Inselerkundung am Samstag ist ein großer Spaß: Von der Braye Bay laufen wir zunächst in den zehn Minuten entfernten Hauptort St. Anne, ein wahres Postkartenidyll. Nach etlichen netten Smalltalks auf der zentralen Victoria Street ist genug Proviant eingekauft, um einen Teil der Insel auf Küstenwegen zu umrunden. Wilde felsige Schönheit und hübsche Strände wechseln sich ab, das Meer leuchtet türkis. Dabei sind immer mindestens zwei, drei alte Gemäuer in Sicht: Unzählige Befestigungsanlagen sollten seinerzeit Napoleon I. abschrecken. Und natürlich wurde dieser Festungsgürtel von den deutschen Besatzern ab 1940 als Basis für Bunkeranlagen genutzt, von denen man viele auf eigene Gefahr betreten kann. Nach unzähligen Abstechern haben wir am Schluss knapp 20 Kilometer zurückgelegt, da fühlt sich der frisch gezapfte Cider im Pub „The Moorings“ dann wohlverdient an.
Am Sonntag legen wir ab gen Sark. Einen Yachthafen oder eine Marina gibt es nicht auf der viertgrößten Kanalinsel, so ankern wir in der hübsch von Felsen gerahmten Dixcart Bay auf der Ostseite. Nach einer ziemlich rumpeligen ersten Nacht sind wir froh, am Morgen mit dem Dinghy an Land zu fahren. Ein verwunschener Pfad führt aus der Bucht bergan, die Landschaft ist dschungelartig. Schon auf Alderney haben wir über das üppige Grün gestaunt, durch die geschützte Lage im Golf von Saint-Malo und den Einfluss des Golfstroms ist das Klima auf den Inseln mild. Hier auf Sark scheint die Natur geradezu zu explodieren. Nach kurzem Aufstieg erreichen wir „The Village“, auf der dortigen „The Avenue“ spielt sich das öffentliche Leben ab, hier gibt es Gastronomie, eine Handvoll Shops mit Kunsthandwerk und einen kleinen Supermarkt. Sark ist autofrei, Traktoren sind die einzig erlaubten motorisierten Fahrzeuge. Touristen können Fahrräder ausleihen oder sich per Pferdekutsche herumfahren lassen. Wir laufen wieder zu Fuß, erst ganz in den Norden, später südwärts zu einer besonderen Attraktion: „La Coupée“ ist eine schmale Landverbindung zwischen den beiden Inselteilen Sark und Little Sark. Weil es auf beiden Seiten steil bergab meerwärts geht, muss man hier sein Fahrrad schieben und Pferdekutschen passieren die Landbrücke ohne ihre Passagiere, die erst auf der anderen Seite wieder einsteigen dürfen. Hm, für unseren Geschmack ein bisschen viel Gewese, es gibt schließlich Geländer, aber die Landschaft hier ist durchaus schön und uns bietet sich ein toller Blick auf „unsere“ Ankerbucht und Flying Fish. Inzwischen hat sich das Meer beruhigt, wir genießen einen friedlichen Abend und freuen uns über die Gesellschaft einer Möwe, die mit ihren lustigen rosa Füßen stundenlang auf unserem Außenborder balanciert und auf eine Dinner-Chance wartet. Letztlich erbeutet sie eine halbe Aprikose mit Nutella-Topping.
Von Sark ist es nur ein acht Meilen-Katzensprung zur benachbarten Insel Guernsey, der zweitgrößten mit rund 64.000 Einwohnern. Dort füllen wir unseren Tank mit steuerfreiem Diesel, funken dann, wie vorgeschrieben, die Victoria Marina an und bekommen einen passenden Liegeplatz zugewiesen, wo wir auch bei Niedrigwasser nicht aufsetzen. Dass überhaupt Wasser im Hafen bleibt, liegt daran, dass es in der Einfahrt einen Sill gibt, eine unterseeische Barriere. Nur in der Zeit um Hochwasser können wir sie mit unserem Tiefgang von 1,85 Metern überqueren. Kaum festgemacht, zieht es uns sofort hinein in den Trubel von St. Peter Port. Hübsch und einladend liegt die Inselhauptstadt am steilen Klippenhang: enge Gassen, Treppen, gemütliche Plätze, viel Charme. Wir genießen das schöne Wetter, lassen uns treiben, spazieren die Küste entlang, fläzen uns eine Weile an den Meerwasserpools etwas außerhalb – und werden nicht müde, über die ständige Veränderung der Landschaft durch die Gezeiten zu staunen, die hier alles bestimmen. Außer, man baut sich ein eigenes Gewässer: In Hafennähe stoßen wir auf ein flaches, gemauertes Bassin mit kreischenden Kids in segelnden Nussschalen. Das ist eine Schulklasse, erfahren wir, Segeln ist hier Unterrichtsfach. Sich von Guernsey loszureißen, fällt schwer, zumal es wunderbar gesellig ist. Neben vielen Südwärtsseglern, denen wir sehr wahrscheinlich demnächst wieder begegnen, treffen wir Oli und Frank, auf Nordkurs mit der SY Durga. Mit Oli haben wir vor drei Jahren in Norwegen Mittsommer gefeiert. Es ist typisch Segelleben: Abschiede und Wiedersehen in ständigem Wechsel. Letztlich haben wir den 74 Meilen-Schlag zurück an Frankreichs Küste gut getimed, denn – Premiere in diesem Jahr – wir werden begleitet: Zwei große Rundkopf-Delfine sind eine ganze Weile vor, neben und unter Flying Fish unterwegs, vom Bug aus herrlich zu beobachten. Nun liegen wir im Hafen von Roscoff – unser erster Ort in der Bretagne.
As always, we love reading your blog. Good to hear you enjoyed the Channel Islands and made it to Bretagne. This year we are following parts of your Norway trip.
Mal wieder wunderbar, sowohl die Beschreibung als auch die Bilder, von
atemberaubenden Wasser- und Landschaftsbildern über pretty in Pink bis zu
zelebrierter Inselromantik ….
Amazing 🥰🥰🥰
So schön mit euch zu reisen, und sogar einen kleinen KNUTT abgelichtet…
Macht Lust darauf auch dorthin zu Reisen
Dankeschön und weiterhin viel Spaß
LG von der KNUTT Crew
Na wie gut, dass nicht alle Behörden so genau wie die Deutschen sind, sonst wären euch (und uns) diese idyllischen Eindrücke verwehrt gewesen. Es gibt so schöne Flecken auf dieser Welt und oft gar nicht so weit entfernt. Den Kanalinseln hatte ich bisher keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt, offenbar ein Fehler.
Herzliche Grüße von der Norröna, mitten auf dem Nordatlantik,
nach 3 Wochen lange Unterhosen freuen wir uns auf die T-Shirt Zeit zu Hause. Feine Bilder und Berichte von einer völlig anderen Inselwelt.
Herzliche Grüße, Ludger
Es geht nichts über Kontraste ;-). Eure Inselbilder waren fantastisch und wir freuen uns auf die Live-Berichte, genießt T-Shirts und Shorts!