Wann ist es eigentlich mal gut?!

Unser Zuhause schwankt endlich wieder, ist bisher absolut dicht und wir sind unterwegs. Doch es ginge hier nicht um uns Heiks, wenn man es bei der Zusammenfassung belassen könnte und wir diesen Zustand ohne weiteren Zwischenfall erreicht hätten. Gestern wurde also als letzter Arbeitsschritt unser Ruderblatt montiert, ein mühsames Unterfangen, das neben dem Kran samt Fahrer noch vier Männer im und unter dem Schiff sowie einen Gabelstapler erforderte. Alles klappte prima, wir wurden zu Wasser gelassen, dort nahmen unsere zwei Mechanikos von Power Plus (die Herren in Schwarz) letzte Feinjustierungen am jetzt höher positionierten Motor vor (der tadellos beim ersten Versuch ansprang!) und entlüfteten die neue Stopfbuchse. Mit den beiden Jungs an Bord verlegten wir Flying Fish an einen anderen Steg und merkten an, dass unser Steuerrad sich schwerer drehen lässt als bisher. Der Widerstand sei okay, sagte Chef-Mechaniko Jim, außerdem wäre daran nichts geändert worden, alles wie vorher. So nahmen wir Abschied und machten uns – nachdem wir die Kreditkarte ordentlich hatten glühen lassen – davon in Richtung Solent. Wie alle guten Laborratten lernen auch wir dazu und so hatten wir das nur neun Seemeilen entfernte Örtchen Lymington als Ziel ausgewählt, statt direkt Strecke zu machen (sehr hübscher Ort übrigens). Man weiß ja nie…

 

 

Der Segeltag war wunderbar, doch das Thema mit dem schwergängigen Ruder ließ uns einfach nicht los. Heute sehr früh im Hafen von Lymington hatte der schlaflose Heiko dann die Idee, die Steuerhydraulik auszuschalten und testweise die Notpinne aufzustecken. Und die ließ sich per Hand so gut wie gar nicht bewegen. Nun waren wir uns sicher, dass etwas nicht stimmt, haben direkt um 7.30 Uhr abgelegt und uns auf den Rückweg nach Cowes gemacht. Unsere Erlebnisse mit Flying Fish bringen mit sich, dass wir mittlerweile rasend gut sind in Fehleranalyse mit integriertem Ausschlussverfahren. Außerdem haben wir einen Haufen Detailfotos von unserem Schiff auf dem Laptop und so reifte der Verdacht, dass eventuell eine richtig fette Nylon-Unterlegscheibe falsch montiert wurde: nämlich oberhalb des Ruderblatts statt darunter, wo das ganze Gewicht lastet. Wir hatten das während der Montage beide so am Rande wahrgenommen, aber darauf vertraut, dass die Profis ja bestimmt wissen, was sie tun. Bei Power Plus ging gefühlte hundert Mal niemand ans Telefon, so riefen wir schließlich Craig an, den Chef des Medina Boatyard samt Kran, baten ihn schon mal um Anlegeerlaubnis für seinen Steg und um einen Anruf bei den Mechanikern. Als wir Jim endlich erreichten, war er bereits informiert und kam eine halbe Stunde später zu uns an Bord. Unsere Unterlegscheiben-Theorie zweifelte er gar nicht erst an. Sein Angebot: er bringt die Sache gratis in Ordnung, aber wir zahlen die erneute Kranerei. Die darauf folgende Diskussion war hart und nicht lustig. Letztlich haben wir gewonnen und mussten keine weiteren Kosten tragen. Aber gab es nicht mal Zeiten, in denen es üblich war, dass Leute für den eigenen Bockmist gerade stehen, die Verantwortung übernehmen und vielleicht sogar mal ein kleines „sorry“ über die Lippen kriegen?!

 

 

Was folgte, war unser übliches Glück im Unglück: der großartige Craig (der Mensch im gelben Regenmantel) war bereit, uns gegen Mittag spontan zu kranen, unterstützte ein zweites Mal die Reparatur mit seinem Gabelstapler und so war Flying Fish nach einer guten Stunde wieder im Wasser. Das muss überhaupt mal gesagt werden: wer irgendwo in europäischen Gewässern Schiffsprobleme hat, sollte unbedingt noch versuchen, den Medina Yard in Cowes zu erreichen. Und auch wer kein Schiff und keine Probleme hat, aber einfach mal die humorvolle Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Person kennen lernen möchte, kann dort vorbei gehen und nach Craig fragen. Alleine dafür, dass wir während der Reparaturzeit auf Flying Fish wohnen durften, sind wir ihm ziemlich dankbar (denn eigentlich ist das nicht üblich und wir hätten ins Hotel gemusst). Und für viele andere nette Gesten und die Beantwortung vieler Fragen auch. Wir liegen jetzt übrigens in Yarmouth. Den geplanten Schlag nach Weymouth konnten wir nach der ganzen Geschichte natürlich nicht mehr in Angriff nehmen, zumal für heute Abend übles Wetter vorhergesagt war. Das kam netterweise nicht und so sitzen wir gemütlich an Deck bei einem Tässchen Rotwein und verarbeiten…

Holger
Juli 15th, 2015 at 2:31 pm

Sauber gemeistert, mit Überlegung und Nachdruck alles zum Guten gewendet.
Seehr erfahrende Laborratten – was kann jetzt noch passieren?

Joachim
Juli 7th, 2015 at 1:19 am

….Euch bleibt echt nichts erspart. Aber jetzt, wo der Kahn dicht ist, sollte es auch gut sein. Bin mal gespannt, ob wir uns noch sehen…viel Spaß auf den nächsten Meilen, Joachim (atanga.de)

Klaus
Juli 6th, 2015 at 10:16 am

Hallo,
da wünsche ich euch nach so vielen Tiefs endlich mal schöne (Azoren- ) Hochs.
Viele Grüße vom Flipper
Klaus

Ludger
Juli 6th, 2015 at 8:47 am

Handwerk hat goldenen Boden … und hanseatische Kaufmannschaft oder das alte „ein Mann (Frau, gab es damals noch nicht so) ein Wort“ sind in Zeiten von IAS, US GAAP außer Mode! Grüße vom alt bewährten, durch und durch altertümlich handelsrechtlich geprägten Schreibtisch, Ludger

Sven
Juli 4th, 2015 at 12:44 pm

Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.

Kopf hoch und Ohren steifhalten!

Silke
Juli 4th, 2015 at 1:45 am

Oh ihr Armen! Ganz bestimmt ist jetzt für den Rest eurer Reise alles gut! Erholt euch gut und behaltet euren Optimismus! Drücke euch!

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