Helgeland

Seit knapp zwei Wochen nun segeln wir mit der SY Inua im Konvoi und heute ist der erste Tag, an dem es wechselhaft-gewittrig ist und wir nicht ein Stückchen weiter südwärts ziehen. Fast durchgehend war Hochsommer und den Preis dafür, wenig Wind, haben wir gern gezahlt – und jeden einzelnen Tag gut genutzt. Wo wir vor zwei Jahren, auf Nordkurs, immer auf der Suche nach sicheren Häfen waren, konnten wir jetzt unbeschwert ankern oder kleine Stege mit zwei dicken Schiffen im Päckchen nutzen, entspannt Kajak-Ausflüge unternehmen und an abgelegenen Stränden herumhängen. Wir haben Orte inmitten untiefen Inselgewirrs besucht, die damals schon auf unserer Wunschliste standen, aber nicht zu erreichen waren. Es gab unzählige Erkundungstouren und Spaziergänge, neue Eindrücke und schöne Begegnungen. Und am Abend: lecker Kombiniertes aus zwei Bordküchen, dazu hat Heiko so oft für reichlich frischen Fisch gesorgt, dass allmählich die Zubereitungsvarianten ausgehen. Das erste gemeinsame Ziel von Bodø aus, die kleine Insel Krokholmen, hübsch gelegen, leicht morbide und mit landestypischem alten Häuserensemble, haben Karin und Enno als Ziel ausgesucht. Unsere Wahl wäre sie sicher nicht gewesen, denn laut Seekarte fällt die ganze Gegend bei Niedrigwasser trocken. Dass es in Wirklichkeit um den Steg herum acht bis zehn Meter tief ist, wissen halt nur die Locals. Auch die coolen Ankerplätze im Norden der Halbinsel Kunna und vor Bolga kennen die beiden bereits aus eigener Erfahrung. Hier verbringen wir die darauffolgenden Tage und genießen die Natur um uns herum.

Besonders angetan haben es uns wie immer die kleinen, abgelegenen Orte und Inseln. Sie berühren nicht nur durch ihre raue Schönheit und Exponiertheit weit draußen im Nordmeer, sondern auch durch ihre Geschichte und die Ahnung, dass es hunderte wie sie gibt. Denn die Bewohner zieht es für Ausbildung und Jobs aufs Festland, wenige kehren zurück, die Orte drohen auszusterben. Wer bleibt, bangt und kämpft darum, die Inselgemeinschaft lebendig zu halten und neue Bewohner und Gäste anzuziehen. Auf Myken etwa hat man vor zehn Jahren begonnen, Single Malt Whisky und Gin zu produzieren (für Führung oder Tasting sind wir zur falschen Zeit dort, dürfen uns die Destillerie aber trotzdem ansehen), mittlerweile haben es die Spirituosen zu guter Bekanntheit gebracht. Auf Selvær betreibt ein Bewohner namens Eivind Hansen das E-Hus Museum (klingt wie irgendwas mit „Elektro“, dreht sich aber um die hier heimischen Eiderenten) und hat ein altes Fischerhaus samt originaler Einrichtung und Ausstattung zur Besichtigung erhalten. Zudem werden entlang der Straßen und Wege Kunst und Fotos präsentiert. Auf Skålvær zeigt uns eine ältere Dame – sichtlich erfreut über unser ehrliches Interesse – ein altes Haus, dessen Fundament aufwändig vor dem Verfall gerettet wurde und die mit mühsam zusammengekratztem Geld instandgehaltene Kirche. Später kommt sie nochmal zum Steg und erzählt uns von dem kleinen Film über die ursprüngliche Bebauung der Insel, an dem ihr Mann mitgewirkt hat. Wir schauen ihn uns auf Youtube an, Karin und Enno übersetzen, was sich nicht erschließt. Jeder von uns staunt über Aufwand und Liebe, die darin stecken. Und die 27 Likes in sechs Jahren.

Viele gemeinsame Erlebnisse also, einzig beim Thema Wandern sind die Bewohner unseres Buddy-Boats eher Team Urlaub als Team Fish, deshalb trennen sich in Sandnessjøen unsere Wege für eine Weile. Die Stadt liegt am Nordende der markanten Bergkette Seven Sisters, ein majestätischer und gewaltiger Haufen Steine mit – Überraschung – sieben Gipfeln. Als wir 2022 nordwärts segelten, war es so regnerisch, dass wir auf jegliche Annäherung verzichten mussten. Doch diesmal haben wir freie Bahn und entscheiden uns für den Rundweg, der im acht Kilometer entfernten (und somit per Fahrrad erreichbaren) Breimo startet und auf den Gipfel der größten Schwester führt, die 1.072 Meter hohe Botnkrona. „Dronningruta“ heißt diese Tour, die Route der Königin, denn vor 24 Jahren ist Ihre Majestät Sonja sie gegangen und war offensichtlich ausreichend beglückt, sich für die Namensgebung zur Verfügung zu stellen – kann man sich vielleicht als Qualitätssiegel merken, denn schon eine Dronningruta letztes Jahr auf den Vesterålen fanden wir klasse. Genau wie diese Tour: gut markiert, abwechslungsreich, weder langweilig noch lebensgefährlich, hier und da willkommene Kletterhilfe-Seile, super View von oben. Bloß eine leicht frustrierende Erkenntnis: Wir sind hier nicht die coolsten, sportlichsten. Laufend (im wahrsten Sinne des Wortes) kommen uns junge Menschen entgegen, die im Morgengrauen gestartet sind und bereits sechs Schwestern-Gipfel hinter sich haben. Da können wir mit unserer 15 Kilometer-Runde nicht wirklich angeben, trotz der Radtour drumherum.

Inzwischen liegen wir in Berg, bereits südlich des Polarkreises, den wir diesmal ganz beiläufig, weit westlich des berühmten und mittlerweile vertrauten Monuments überquert haben. Ein eher pragmatischer Stopp, es gibt einen stabilen Steg, Supermarkt und Waschmaschine. Die gestrige Etappe hierher jedoch war speziell: Blauer Himmel und dazu warmer Wind von vorn, in Böen bis 30 Knoten, und mit gerefften Segeln auf der Kreuz, so dass man durch das Dachfenster des Doghouse den Horizont sieht, das hatten wir lange nicht. Als Bonus kurz vor dem Ziel beste Sicht auf den Torghatten mit dem gigantischen Loch, vorletztes Jahr sind wir hindurchgewandert. Kaum sind die Leinen fest, hat es sich komplett zugezogen und beginnt zu nieseln, was für ein Timing! Das war der Startschuss zu eher garstigem, unbeständigem Wetter in den nächsten Tagen. Wir sind gespannt, ob nördliche Winde dabei sind.

Svenja
August 9th, 2024 at 11:19 am

Wieder so tolle Fotos, war schon ein wenig auf Entzug 😀 Freut mich für euch, dass ihr auf diesem Törn einiges machen konntet, was auf dem Hinweg nicht möglich war. Und mit dem richtigen T-Shirt klappt es dann offensichtlich auch mit dem Anglerglück 😉

Heiko
August 11th, 2024 at 2:59 pm

Das Fotografieren war in den letzten Sommerwochen einfach – die Landschaft leuchtet hier wunderbar in der Sonne und man muss eigentlich nur die Kamera draufhalten und abdrücken. Das Shirt ist jetzt in der Wäsche – mal sehen, wann der nächste Fisch beisst…

From Dust to Dirt (Rudi & Crew)
August 9th, 2024 at 8:46 am

Jetzt haben sie 28 Likes…

Heiko
August 11th, 2024 at 2:56 pm

3 neue likes in den letzten Tagen – da geht was.

Carsten
August 9th, 2024 at 4:45 am

Gut und frisch und wie Urlaub sieht das Team fish aus 🥰👍
Es ist immer wieder erstaunlich, auf welch tolle Reise ihr zwei ins mitnehmt.
Hier herrscht gerade nach vielen Sommertagen ein etwas ungemütlicher SSW, der ins in der Schelde schaukeln lässt.
Auf angenehme nördliche winde für Euch.
LG von den KNUTT’is

Heiko
August 11th, 2024 at 2:55 pm

Das mit den Wetterwünschen müsstest du noch etwas üben: wir liegen gerade mit mehr als 40kn West am Steg 😉 Liebe Grüsse in den Süden.

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