Kleine Inseln im Sonnenschein

Mittlerweile sind wir es gewohnt, durch den permanenten Abgleich von mindestens 5 Wetter-Apps und die Ermittlung der Schnittmengen selbst winzigste Schönwetterfenster vorauszuahnen und unsere Aktivitäten hocheffizient auf sie auszurichten. Denn wir erleben gerade den miesesten Sommer seit 40 Jahren im Fjordland, wie uns Ortskundige inzwischen wiederholt versichert haben. Um so überraschender und bemerkenswerter ist die sich steigernde Serie bezaubernder Eindrücke, die uns zuletzt einfach so zugeflogen sind, zwischen Ålesund und Kristiansund durch die Inselwelt segelnd. Der eher bescheidene Anfang: Finnøy. Hier landen wir ein wenig unfreiwillig. Zwar macht es trotz strömenden Regens großen Spaß, mit ordentlich Speed hoch am Wind nordostwärts zu kreuzen, doch die Sicht wird immer miserabler und vor uns liegen so viele spärlich betonnte Untiefen, dass wir am Nachmittag lieber den nächsten Hafen anlaufen, Finnøy halt. Fein, denken wir uns, dann ist wenigstens noch Zeit, Fische für das Abendessen zu fangen. Doch es ist frustrierend heute, wir ziehen nur Algen und Seetang aus dem Wasser. Immerhin klart es währenddessen für eine Stunde auf und wir sehen, wie schön es rundherum eigentlich ist, wenn man denn mal was sieht. Kaum haben wir das realisiert, regnet es auch schon wieder. Zwei von zehn Punkten für Finnøy.

Der nächste Tag besticht durch grauen Himmel mit Regen UND Flaute, wir motoren nur die 5 Seemeilen zur kleinen Insel Ona und haben das große Glück, den letzten von drei Gastliegeplätzen zu erwischen. Der winzige Ort ist einfach nur niedlich, bunte Holzhäuser drubbeln sich um den Hügel mit dem roten Leuchtturm, wie hingewürfelt. Wir bedauern schon, dies alles nur ohne Licht sehen zu können, da passiert das gleiche wie am Vortag, nur in besser und länger: Diesmal bekommen wir zuerst einen perfekten Regenbogen zu sehen, dann klart es gleich für drei Stunden auf! Nicht nur wir, auch sämtliche Ona-Bewohner sind im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Häuschen, sofort werden die Sitzmöbel rausgeschleppt und es ist Ferienstimmung. Wir unternehmen einen Rundgang und lassen uns dann mit einem kühlen Getränk am Fuß des Leuchtturms nieder, genießen einfach die hellen Farben und das Glück rundherum. Unsere norwegischen Stegnachbarn schauen vorbei und empfehlen uns, als nächstes die Insel Håholmen anzulaufen, da kämen sie gerade her. Warum nicht, wir haben eh noch keinen konkreten Plan. Locker fünf Punkte für Ona!

Den folgenden Weltuntergangstag (über den sich mal alle Apps einig waren) sitzen wir noch aus, dann nehmen wir Kurs auf Håholmen und freuen uns direkt zu Beginn über einen Felsen, den sich Kormorane und Seehunde in friedlicher Koexistenz teilen. Und können dann nicht nur prima segeln, sondern segeln sogar die ganze Strecke bei trockenem Wetter! Langsam wird es unheimlich… Håholmen ist eine Gebäudeansammlung aus dem 18. Jahrhundert und gehört heute dem norwegischen Weltumsegler Ragnar Thorseth, der hier ein Hotel mit Restaurant und Tagungszentrum betreibt. Die Umgebung ist so schön, dass wir direkt bei unserer Ankunft am Abend beschließen, einen Tag hier zu bleiben und sie per Stinkfish (unser Dinghi nebst Außenborder) zu erkunden.

Durch die Felsen- und Schärenlandschaft pöttern wir zur berühmten Atlantikstraße. Das ist typisch Norwegen: Straßen, Brücken und Tunnel werden hier so spektakulär gestaltet, dass sie nicht als notwendiges Infrastruktur-Übel, sondern als Sehenswürdigkeiten gelten. Die 1989 eingeweihte Atlantikstraße schlängelt sich zwischen Vevang und Averøy über 8,5 Kilometer von Schäre zu Brücke zu Schäre über das offene Meer und verbindet Inseln, die vorher nur mit dem Boot erreichbar waren. Es gibt etliche Aussichtspunkte und zuletzt diente das Bauwerk als Kulisse für James Bond in „Keine Zeit zu sterben“. Auch wir legen mit dem Dinghi an und schauen. Da den halben Tag (!!!) die Sonne scheint, lässt Heiko sogar die Drohne fliegen. Auf dem Rückweg angeln wir eine ganze Makrelen-Fischpfanne. Als ich gerade beklage, noch nie was anderes als Makrelen gefangen zu haben, beißt was anderes an: ein beeindruckend großer Pollack, der gleich zwei weitere Abendessen zu einem Fest macht. – Sieben Punkte plus einer extra für den unanständig großen Fisch.

Tags darauf starten wir früh zur Insel Grip, ein winziger Klecks auf der Karte, sieben Seemeilen vor der Küste im Ozean. Zwar ist Flaute, aber dazu strahlend blauer Himmel. Schon morgens, wir sind fassungslos! Der Hafen von Grip ist winzig und hat genau einen Gastliegeplatz, der leider besetzt ist. Doch wieder haben wir Glück und können an der einzigen anderen Segelyacht festmachen. Sie gehört einem Inselbewohner und der ist genauso freundlich und tiefenentspannt wie alle, die uns hier begegnen. Grip ist derart pittoresk und sympathisch, dass einem leicht die Superlative ausgehen. Liebevoll dekorierte Häuser scharen sich um eine kleine Stabkirche aus dem 15. Jahrhundert. Es ist Freitag, hier und da wird gepinselt, gesägt und repariert. Überall sitzen Leute in Grüppchen zusammen, genießen es, draußen zu sein. Direkt hinter Flying Fishs Heck befindet sich der kleine Fähranleger mit den üblichen Autoreifen als Fendern. Nur dass man hier Bretter hineingelegt hat, als Nistplätze für die Dreizehenmöwen. Wir müssen permanent grinsen wegen des Gekreischs, das die Tiere bei der Brutpflege veranstalten und auch die Locals kommen immer mal gucken und freuen sich. Auf der anderen Hafenseite kriegen die normalen, großen Ich-will-deine-Pommes-Möwen ebenfalls ihre Portion Fürsorge: Fisch- und Meeresfrüchteabfälle satt zur Abendessenzeit. Die Menschen hier scheinen Möwen zu lieben und tonnenweise Seafood zu verdrücken. Gut, dass wir selbst noch Pollack im Kühlschrank haben… Eigentlich ist Grip seit 1964 verlassen. Den Bewohnern machte damals die Isolation so zu schaffen, dass sie aufs Festland zogen. Doch über den Sommer kommen sie zurück und man merkt, wie gern sie dann hier sind. Auch wir würden gern noch bleiben, weiter faul in der Sonne liegen, hier und da ein Schwätzchen halten. Doch inzwischen ist Kahlfraß an Bord, so dass wir mal wieder eine Stadt mit Supermarkt brauchen. Es geht nach Kristiansund. 12 von 10 Punkten für Grip. Mindestens.

Ludger
August 3rd, 2022 at 11:07 am

Liebe Heiks,

ich schließe mich Carstens punktevergabe an: 20 von 10. Aber das mit den vielen Fischpfannen irritiert mich doch: Erinnert bei den „Fishes“ an Kannibalismus… 😉
Liebe Grüße aus Bormio, Italy, Ludger

Heike
August 4th, 2022 at 2:53 pm

Die Fischpfannen-Fische können ja nicht fliegen 😉

Annette
August 2nd, 2022 at 7:39 pm

Hej ihr Lieben, es ist wie immer eine Freude, von euch zu lesen und ein bisschen mit zu shippern…

Heike
August 4th, 2022 at 2:42 pm

Und wir haben dich super gern dabei!

Carsten
August 2nd, 2022 at 8:31 am

20 von 10 für Euch, mindestens 🥰🤣👍
LG vom KNUTT

Heike
August 4th, 2022 at 2:46 pm

Takk!

Ruby Tuesday
August 2nd, 2022 at 7:16 am

Beautiful photos! It gives the impression that it’s like that all the time!

Heike
August 4th, 2022 at 2:39 pm

It is not. Believe us: it is definitely not 😉

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