Bergen und um Bergen herum

Hauptstadt des Fjordlands, zweitgrößte Stadt Norwegens, vermutlich die regenreichste Stadt Europas, auf jeden Fall eine sehr hübsche Hafenstadt – das ist Bergen! Als erstes erklimmen wir dort den 320 Meter hohen Hausberg Fløyen, ein bisschen Überblick schadet ja nie. Über kleine Treppen und Gassen schlängeln sich Wege erst zwischen typischen, malerischen Holzvillen und schließlich durch Wald bis zur Aussichtsterrasse. Kaum zu glauben, nach welch kurzer Gehzeit wir hier in einer ganz anderen Welt sind, mitten in der Natur. Da man aber auch ziemlich schnell und bequem per Standseilbahn hinaufgelangt, ist es am Ziel ordentlich trubelig mit Souvenirläden, Kinderbelustigung und vielen gut gelaunten Menschen.

Zwar gönnen wir uns Highlights wie Besuche in der Kunsthalle und im Fischereimuseum (letzteres scheint allerdings eher für Kinder konzipiert und das alte Gebäude spricht uns mehr an als die Ausstellung) und schlendern durch ein paar Geschäfte, doch den größten Spaß macht es, sich einfach durch die City treiben zu lassen. Direkt vis-a-vis unseres Liegeplatzes befindet sich die berühmte Bryggen-Front, eine Reihe dreigeschossiger Holzhäuser mit spitzen Giebeln, einstige Handelskontore aus der Zeit der Hanse. Im Jahr 1702 wurden sie bei einem großen Brand fast alle vernichtet, jedoch originalgetreu wieder aufgebaut. Ein paar Gehminuten westlich von Bryggen liegen die Festung Bergenhus, der Rosenkrantz-Turm und die Håkonshalle, Bergens königliches und kirchliches Zentrum im Mittelalter. Ebenfalls ganz nah ist der Fischmarkt, laut Internet der bekannteste und teuerste von Norwegen. Wir phantasieren kurz von Fischbrötchen, bis Preise von mindestens 15 Euro pro Stück den Speichelfluss abrupt wieder stoppen. So bummeln wir lieber einfach weiter durch Bergens schöne Straßen und Viertel, genießen diese kurzweiligen Tage ebenso wie ein paar verregnete Bastel- und Erledigungstage unter Deck und kochen abends selbst.

Nicht nur Bergen selbst ist toll, sondern auch unsere Stationen davor und danach. Eher zufällig wählen wir auf dem Hinweg die winzige Insel Solstråleøya als Übernachtungsstopp aus. Nachdem unser favorisierter Liegeplatz im Norden von Motorbooten besetzt ist, tasten wir uns ganz vorsichtig um die Insel herum, denn am anderen Ende soll es noch eine Pier geben. Und die ist frei! Beim Näherkommen handelt es sich eher um einen Steinhaufen als um eine Pier, doch da es absolut windstill ist und bleiben soll, wagen wir den Anleger und bereuen es nicht. Eine Tafel informiert, dass die Insel einst, ab 1889, einem exzentrischen Engländer gehörte. Der kaufte dazu noch eine Nachbarinsel, von der er mit einem Ruderboot Erde heranschaffte, um Solstråleøya bepflanzen und bewohnen zu können. Wir finden alte Grundmauern, ein paar Brettergebäude und einen Stall mit Hühnern, aus dem man sich gegen Hinterlegung von je 5 NOK frische Eier mitnehmen darf. Der Abend ist wunderbar friedlich, so ruhig, dass wir nichtmal Musik hören mögen. Und am Morgen ist es derart schwer, sich zu trennen, dass wir noch eine ausgedehnte Kanutour unternehmen. Einfach nur schön.

Und nun sind wir in Skjerjehamn, einem kleinen historischen Ort, der einst Post- und Telegrafenstation sowie wichtig für den Handel war. Alles hier ist liebevoll erhalten oder restauriert, es gibt antike Gegenstände, Kunst und Skulpturen. Das meiste finden wir schön oder zumindest einigermaßen geschmackvoll, abgesehen nur von dem scheußlichen King Olav V-Monument auf dem Hügel. Ursprünglich sollte es in Oslo vor dem Rathaus platziert werden, doch kluge Stadtväter oder -mütter machten in letzter Minute einen Rückzieher. Daraufhin überzeugte der Boss des Unternehmens Firda Seafood, dem Skjerjehamn heute gehört, den Künstler, dass hier der richtige Ort für das Werk sei. Und so grüßt Olav heute etwas steif über das Fjordwasser. Überhaupt ist Firda Seafood recht rege und macht auf Lehrpfaden und Aushängen mächtig Werbung für Aquakulturen zur Lösung des Welternährungsproblems. Zu diesem Ansatz mag man stehen wie man will, der Ort scheint fischmäßig jedenfalls inspirierend zu sein: Heiko fängt schon vor dem Sonntagsfrühstück unser Abendessen!

Peter
Juli 11th, 2022 at 6:05 pm

Also ich habe Bergen komplett ohne Sonne kennengelernt – es hat 3 Tage am Stück geregnet. Da habt Ihr doch mit ein paar Aufheiterungen und aufgekrempelten Armen schon fast Karibik.

Heiko
Juli 13th, 2022 at 5:28 pm

Für die karibischen Gefühle hättest du 4 Tage bleiben müssen 😉

Sven
Juli 11th, 2022 at 8:55 am

Hej,
Heikes unverändert wunderbare Schreibe und die schönen Fotos lassen mich an Bergen und den Aussichtsberg erinnern. Ebenso wie wir von da aus zu 10 in einem wunderhübschen 12er zu den Shetlands rüber sind. Dummerweise war unser „Wetterfrosch“ mit der technischen Einholung der Prognose noch nicht so ganz vertraut. Bei 9 bft haben wir mehr als einmal das letzte Glöckchen schlagen hören.
Ihr Lieben, euch weiterhin eine tolle Zeit im Nordmeer!
Grüße aus dem Ankerbüro von Sven und Amina

Heiko
Juli 11th, 2022 at 11:16 am

Die Suche nach dem richtigen Wetter machen wir uns nicht einfach: wir schauen mehrmals täglich bei Windy, Windfinder, Passageweather und YR und wenn die alle nicht das richtige Wetter für uns haben, nehmen wir in der Regel das von Mallorca – dann gehts. Liebe Grüsse ins Ankerbüro

Ludger
Juli 10th, 2022 at 8:23 pm

Feine Bilder! Sagt, war’s ihr schon mal schwimmen? Grüße aus dem Pott, Ludger

Heiko
Juli 11th, 2022 at 11:04 am

Um die Häufigkeit unseres Schwimmens anzuzeigen reicht bisher noch eine Hand. Die Fjorde hatten so 13 Grad und hier sind es jetzt immerhin 15 Grad Wassertemperatur, was aber bei etwa gleich hoher Aussentemperatur eher nicht einladend auf uns wirkt. Damit nähern wir uns auch in Teilen der Antwort auf die Frage: „Warum eigentlich Karibik?“ Es bleibt festzuhalten: es ist hier nicht mediterran! Gar nicht.

Svenja
Juli 10th, 2022 at 7:22 pm

Wieder sooooo schön von euren Erlebnissen zu lesen und bei den Fotos kommt sofort Fernweh auf 🙂
Liebe Grüße, Svenja

Heiko
Juli 11th, 2022 at 11:11 am

Bei den Fotos haben wir uns auch echt Mühe gegeben, die trockenen Fenster mit Sonne zu nutzen… 😉

Carsten
Juli 10th, 2022 at 5:55 pm

LG an euch und Danke für euer wunderbares Lebenszeichen.
👍
Carsten

Heiko
Juli 11th, 2022 at 4:18 pm

😊

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