Entdeckung der Langsamkeit

Tag fuenf auf See und es geht uns prima. Ziemlich nervoes haben wir am Mittwoch abgelegt, der Abschied tat weh und spaetestens als der Wind vor der Ostkueste Gran Canarias nichts mit der Vorhersage zu tun hatte und genau von vorne blies, haben wir uns gefragt, was wir da eigentlich gerade tun. Doch kaum hatten wir die Insel hinter uns gelassen, herrschten perfekte Segelbedingungen. Flying Fish flog mit bis zu acht Knoten durch die Nacht, dabei eine dezente Spur aus Leuchtplankton im Ozean hinterlassend, ein fast mystischer Anblick. Selbst in unserer Kloschuessel leuchtete es gruenlich (sie wird mit Seewasser gespuelt), das ist jetzt zwar deutlich weniger romantisch als funkelndes Kielwasser, aber auch irgendwie schoen. So haette es ewig weiter gehen koennen, aber wie schon im Vorfeld befuerchtet, konnten wir der Schwachwindzone letztlich nicht entkommen. Seit vorgestern hat sie uns im Griff, wir segeln derzeit sehr gemuetlich unter Passatbesegelung (zwei identische Vorsegel, eines nach Backbord und das andere nach Steuerbord ausgebaumt) mit nur zwei bis drei Knoten Geschwindigkeit und halten uns suedlich, um zumindest der totalen Flaute zu entgehen. So empfehlen es auch unsere zwei freiwilligen Wetterfroesche in Las Palmas, Reiner von der „Balou“ und Daniel von der „Me“. Jeden Abend um 19 Uhr nehmen sie an unserer Kurzwellen-Funkrunde teil und schildern uns und der ein paar Tage vor uns gestarteten „Imagine“ die Grosswetterlage. Ein wunderbarer Luxus, da wir auf den Wetter-Gribfiles, die wir taeglich empfangen, immer nur die Vorhersage für ein kleines Gebiet um uns herum sehen koennen.

Tja, auf den ueblichen kurzen Etappen wuerden wir den Motor anwerfen und die Sache zu Ende bringen, dieses Mal aber lassen wir es einfach geschehen. Und siehe da, nach einigem Gefluche zu Beginn und diversen Experimenten mit Blister und Grosssegel ist es eigentlich voellig okay, wie es ist. Gut, wir werden ein paar Tage laenger brauchen bis Grenada, aber wir haben keine Termine und reichlich Proviant, es ist also egal. So verbringen wir gerade eine super entspannte Zeit, hoeren Musik, lesen, quatschen, kochen. Und schlafen unglaublich viel, es ist immer wieder erstaunlich, wie muede man beim Segeln wird, ohne koerperlich viel zu leisten. Mal sehen, ob sich das irgendwann gibt. Heiko wollte dem Muessiggang an Bord noch die Krone aufsetzen und hat seine Haengematte im Vorschiff installiert, doch die schwang wegen des Wellengangs so weit seitlich ueber die Reling aus, dass er wahrscheinlich nicht lange an Bord geblieben waere. Unser Highlight bisher: gestern hatten wir Besuch von einer Delfinschule, einer richtig grossen. Eine halbe Stunde lang haben uns geschaetzt vierzig freundlich laechelnde Tiere begleitet, sind pfeilschnell immer wieder unter Flying Fish durchgetaucht und um uns herum gewuselt, ein toller Anblick. Hoffentlich kommen sie mal wieder vorbei, wir sind noch eine Weile in der Gegend.

Ludger
Dezember 16th, 2015 at 4:19 pm

Liebe Heiks,
schon der alte Goethe hat am Schreibtisch an Euch gedacht und zwei Gedichte über Flaute und die kurze Zeit danach verfasst, die ich Euch einfach aufs Meer senden muss:

Meeres Stille:
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

Glückliche Fahrt:
Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!

Liebe Grüße vom weihnachtlich stürmischen Schreibtisch, Ludger

Lindenthaler
Dezember 15th, 2015 at 10:54 pm

Auch ich wollte zum Glück mal schauen wo ihr seid und hab den Blog gefunden. Genießt die Ruhe…wir sind im Vorweihnachtsstress… aber genießen auch das! Lasst es euch gut gehen…

Ludger
Dezember 14th, 2015 at 5:25 pm

Liebe Heiks,
die Wetterprognose sieht m. E. sehr erfreulich aus (falls sich seit meinem letzten Download gestern nichts mehr geändert hat): Ihr bekommt noch jede Menge Zeit, Euch weiter miteinander zu beschäftigen. Als abergläubischer Segler warne ich nur vor einem Spiel, mit dem ihr die Langeweile bitte nicht vertreibt: „Schiffe versenken“!
Wir haben am Dritten Advent die Zeit genutzt und Segelfilme geschaut, den kauzigen Dwersteg gab´s zum Advent gratis. So fühlten wir uns vor dem Kamin wenigstens ein wenig nach „Meer“. Digger Hamburg hat heute morgen gepostet: Noch 99 Tage bis Frühlingsanfang. Na gar nicht mehr so lang, bis auch im kalten Holland die Masten wieder gestellt werden können. Bis dahin berichtet uns bitte mit schönen Bildern (die von der Magie unterwegs bitte von drüben nachreichen) weiter von Eurer Reise. Liebe Grüße vom Schreibtisch, Ludger

PS: Durch Eure Blogumleitung scheint die e-Mail Benachrichtigung nicht zu funktionieren, habe den Beitrag erst gesehen, als ich Eure aktuelle Position gesucht habe.

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