Versuch’s mal mit Gemütlichkeit

Treue Leser werden es schon hier und da zwischen den Zeilen erspürt haben: wir mögen Beate und Reiner, die „Balou“-Crew, sehr gerne. Die beiden sind nett, lustig und unkompliziert und wir freuen uns immer, sie zu sehen. Die übliche Wiedersehensfreude hat allerdings am Montag noch mal eine ganz neue Dimension bekommen: wir waren dreißig Seemeilen vor unserem Zielort La Graciosa bei so-gut-wie-Flaute unter Blister unterwegs, unsere Geschwindigkeit betrug zwischen 0,5 und 1,5 Knoten. Für unsere ETA (estimated time of arrival) bedeutete das irgendwas zwischen nächste Nacht und Ende der Woche. Dabei hatten wir eigentlich gedacht, schon mittags entspannt in der Bucht zu liegen, unter Motor mit fünf Knoten Marschgeschwindigkeit kein Problem. Bloß leider hatte unser alter Freund Perkins nach langer Zeit reibungsloser Kooperation doch mal wieder begonnen, uns zu sabotieren. In der Nacht fing es an, dass die Drehzahl sich ständig selbsttätig kurz erhöhte. Erst nur gelegentlich, dann immer öfter, schließlich alle paar Sekunden. Als würde jemand ständig mit dem Gas spielen und den Motor aufheulen lassen. Wir hatten dieses Symptom vor zwei Jahren schon mal, damals waren Bakterien im Diesel der Grund. Doch nachdem wir auf einen neuen Vorfilter umgeschaltet und den Motor testweise mit einem Schlauch direkt aus einem „frischen“ 20 Liter-Dieselkanister versorgt hatten und das Problem blieb, war klar, dass die Ursache wahrscheinlich eine andere ist. Also: Motor aus, um ihn nicht zu zerstören, und tapfer flautensegeln. Zu essen war genug an Bord, aber Spaß macht so eine Situation nicht.

 

 

Wir waren gerade noch dabei, uns mit dem ständig einfallenden Segel und dem Stillstand-Gefühl zu arrangieren, da erfuhren wir über Funk, dass die schnellere „Balou“, eigentlich schon kurz vor dem Ziel, längst umgedreht hatte, um uns zu holen. Wie sehr man sich über liebe Freunde und einen am Horizont auftauchenden Mast freuen kann, das glaubt kein Mensch! Um elf Uhr am Vormittag waren sie da und nahmen uns mittels einer langen Festmacherleine in Schlepp. So einen dicken Fisch hatten selbst diese beiden noch nicht an der Angel… Nach sechs Stunden kamen wir in der Ankerbucht von La Graciosa an. Steht eigentlich in irgendeinem Fachbuch was über Päckchen-Ankern? Also, wahrscheinlich muss die entsprechende Literatur neu geschrieben werden. In einem gekonnten Manöver verbanden wir die Schiffe längsseits miteinander, Beate und Reiner übten kurz das Steuern mit dickem Fisch an Backbord, dann fuhren sie den Anker ein. Passte im ersten Versuch! Wir machten uns einen gemütlichen Abend, schmissen auf dem Relinggrill zusammen, was die Kombüsen hergaben und genossen die schöne Atmosphäre in der Bucht. Ria und Peter von der „Helena“ kamen noch auf einen Wein vorbei, dann packte alle die Sehnsucht nach der Koje. Für eine Erkundung von La Graciosa hat die Zeit gestern leider nicht gereicht, aber ausgiebiges Schwimmen um unser ankerndes Riesen-Schiffspaket war noch drin. Dann ging es im bewährten Schleppverband weiter, dreißig Seemeilen nach Arrecife an der Ostküste Lanzarotes, wo wir schon von Jenny und Simon von der „Fenicia“ erwartet wurden. Die zwei hatten in der Marina einen Liegeplatz vor Kopf für uns organisiert, damit wir den angegriffenen Motor nicht zu lange während komplizierter Manöver strapazieren müssen. Das Schicksal war fair genug, uns während des Abschleppens hierher einen großen Bonito an die Angel zu schicken (65 Zentimeter lang, ergibt 1,5 Kilo feinstes Filet), so dass wir wenigstens die Hauptzutat zum gemeinsamen Abendessen beisteuern und uns ein erstes bisschen bei all unseren Helfern revanchieren konnten.

 

 

Nun sind wir also wieder in unserer Lieblingssituation, müssen gleich versuchen, einen Mechaniker zu finden, der Englisch spricht und kurzfristig Zeit hat. Müssen dann hoffen, dass er sich wirklich auskennt, uns nicht komplett über den Tisch zieht oder etwas kaputt repariert. Wir versuchen, die positive Seite des Ganzen zu sehen: zum einen war die erste Hälfte der Überfahrt von Madeira hierher seglerisch einfach genial mit perfekten Bedingungen (zudem konnten wir direkt zu Beginn den neuen Autopiloten erfolgreich kalibrieren, der uns auf Garantiebasis nach Funchal geschickt worden war). Und während der zweiten Hälfte bekamen wir immerhin Seemannschaft pur zu spüren. Nicht nur, dass die „Balous“ für uns umgedreht haben, auch Jenny und Simon waren sofort bereit, uns zu helfen. Wir hatten ihnen bereits in der Pannennacht über Kurzwelle eine Mail geschickt, wissend, dass sie einen Perkins-Fachmann in Lissabon kennen. Von dem hatten wir uns einen Tipp erhofft, was wir noch selbst probieren könnten, um den Fish-Motor in den Griff zu kriegen. Direkt am frühen Morgen erhielten wir eine ausführliche Antwort, die neben dem Angebot, uns jederzeit holen zu kommen (aus Arrecife, sechzig Seemeilen und retour!) noch eine Internetrecherche zu unserem Problem enthielt und eine Liste der inzwischen befragten Leute, deren Antworten noch ausstanden. Letztlich war keine rettende Info dabei, aber schon toll, so viel Unterstützung zu bekommen. Heute rief noch Jens von der „Lili“ extra aus Porto Santo an und versuchte, unserem Problem auf die Spur zu kommen. Und morgen werden wir dann liebe „alte“ Freunde treffen: Petra und Eric fliegen aus Köln ein, um uns ein Stück weit zu begleiten. Hoffen wir also, dass die Reparatur schnell geht und die zwei nicht einen reinen Landurlaub verbringen müssen…

 

 

A&A
Oktober 29th, 2015 at 8:47 am

Hallo Ihr 2! Erst einmal herzlichen Glückwunsch. Ihr habt den ersten großen Teil der Reise bis zu den Kanaren erfolgreich bewältigt. Uns konnte auf Lanzarote im Hafen Porto de Calero ein Mechaniker namens Paco (Volvo) sehr gut helfen. Er spricht Englisch und hat viel Ahnung.
Alles liebe und weiterhin viel Glück und Spaß sowie gute Angelerfolge, die wir ja leider nie hatten.
A&A

Silke
Oktober 28th, 2015 at 10:13 pm

Oh Mann, vor lauter verständlicher Aufregung ist Heikos Großfang wie ich finde nicht genügend gehuldigt worden! Gratuliere großer Bruder!!! Bravo! Bravo! Bravo!
Sehr beruhigend, dass ihr gut angekommen seid! Viel Glück bei der Reparatur…

Tobias Köngeter
Oktober 28th, 2015 at 10:02 pm

Na, das hört sich wieder wie Luft in der Dieselleitung bzw Einspritzpumpe an…
Tobias-Grüße von der SOL Y SON

Ludger
Oktober 28th, 2015 at 4:41 pm

Liebe Heiks, dass muss was mit Maggi, sorry
Magie zutun haben. Während Heike den Bericht hochgeladen hat, war ich auf Eurer Seite um zu sehen, wo ihr seid. Als ich dann den Kommentar – vor Anker auf La Graciosa – gesehen habe, war ich froh und dachte kurz an einen blöden Kommentar, warum ihr noch nix gepostet habt. Aber dann fiel mir natürlich Eure Bucht bedingte dünne Leitung in die Internetwelt ein und da hab ich mich mal lieber wieder meinem Schreibtisch gewidmet. Und – siehe da – ist doch gleichzeitig schon eine Mail im Account mit frischer Post aus Übersee. Und auch endlich mal wieder echtes Abenteuer! Rettung nach Motorausfall auf hoher See durch einsatzbereite Segelfreunde. Herzliche Grüße an die Helden und freundlichen Segler, die unsere Heiks da aus dem Schlamassel helfen. Viel Glück mit den Mechanikern, auf dass Eure Bordkasse nicht über Gebühr geplündert wird. Hoffentlich könnt ihr die schöne Insel trotzdem genießen. Ich gehe ab Freitag ein letztes Mal Segeln – Überführung von Südholland bis in die Vrijheid, Freund Peter kommt zu uns in den Hafen! Herzliche Grüße vom Schreibtisch, Ludger

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